Rz. 68

Der jeweilige Punktestand ist nach dem jetzt ausdrücklich im Gesetz verankerten Tattagprinzip zu bestimmen, d.h. bezogen auf den Tag der Tatbegehung.

In der Konsequenz blieb dieser Zeitpunkt nach der Rechtsprechung auch dann maßgeblich für die Bestimmung des Punktestandes, wenn z.B. wegen zwischenzeitlicher Tilgung oder Erteilung von Bonuspunkten während des laufenden Verfahrens Punkte gelöscht wurden (BVerwG DAR 2009, 102; VGH Mannheim DAR 2011, 116; zfs 2014, 534). Mit der Ende 2014 (BGBl. I S. 1802) in Kraft getretenen Gesetzesänderung ist diese verfassungsrechtlich bedenkliche "ewige" Verwertbarkeit abgeschafft worden."

 

Rz. 69

 

Achtung: Einschränkung des Tattagprinzips

Überliegefrist abgelaufen

Jetzt darf die Verwaltungsbehörde ihrer Entscheidung nur noch solche Eintragungen zugrunde legen, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch nicht endgültig tilgungsreif waren, d.h. deren Überliegefrist noch nicht abgelaufen war. § 29 Abs. 7 StVG stellt nämlich ein absolutes Verwertungsverbot dar, an dem auch das Tattagprinzip nichts geändert hat (Nds. OVG zfs 2017, 360; BayVGH zfs 2017, 716).

Dieses Verwertungsverbot gilt allerdings nur für im Zeitpunkt der Verfügung bereits tilgungsreife Eintragungen, nicht jedoch für die erst nach diesem Zeitpunkt eintretende Tilgungsreife, auch nicht, wenn sie erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens eintritt (BVerwG zfs 2009, 118; OVG des Saarlandes zfs 2018, 238). Im Gegensatz dazu nimmt das OVG Sachsen (VRS 2018, 21) ein Verwertungsverbot auch dann an, wenn sich der Punktestand erst nach der Verfügung reduziert hat bzw. die Überliegefrist abgelaufen war.

Eintragungen in Überliegefrist

Anders als im Verwaltungsrecht dürfen die in der Überliegefrist befindlichen Eintragungen in einem Straf- oder Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht mehr verwertet werden. Im Verwaltungsrecht soll dagegen die Überliegefrist die Einhaltung des jetzt geltenden Tattagprinzips absichern, deshalb werden bei der Berechnung des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 S. 1 StVG in der Überliegefrist befindliche Punkteintragungen mitbewertet, dies allerdings nur, wenn der Tattag weiterer Eintragungen vor ihrem Tilgungszeitraum nach § 29 Abs. 1 Nr. 1-3 StVG liegt. Lag deren Tattag danach, darf auch eine in der Überliegefrist befindliche Eintragung bei der Berechnung des Punktestandes nicht mehr mitberücksichtigt werden. Insoweit enthält § 29 Abs. 7 StVG nämlich ein absolutes Verwertungsverbot. Die Regelung des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG ist in diesem Zusammenhang ohne jede Bedeutung (OVG Berlin-Brandenburg Beck RS 2018, 20932).

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