Rz. 135
Verfahren nach dem HKÜ sind besonders eilbedürftig. Sie sind auf größtmögliche Beschleunigung ausgerichtet.[402] Das ergibt sich zum einen aus Art. 11 HKÜ, wonach die Gerichte innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrages eine Entscheidung treffen sollen, zum anderen aus der Natur des Rückführungsverfahrens. Hinzu kommt, dass die nach dem HKÜ zu treffende Sachentscheidung keine Sorgerechtsentscheidung ist (Art. 19 HKÜ) und auf einer summarischen Tatsachenprüfung beruht.[403] Dabei sind die Ermittlungen nur soweit auszudehnen, wie dies mit dem Eilcharakter des Verfahrens (§ 38 IntFamRVG) in Einklang zu bringen ist.[404] An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, die diejenigen Maßnahmen übertreffen, die im klassischen einstweiligen Rechtsschutzverfahren deutscher Prägung gelten. Es sind nur die Beweise zugelassen, die entweder präsent oder unschwer zu erheben sind. Im Rahmen der Rückführungshindernisse des Art. 13 HKÜ genügt eine eigene eidesstattliche Versicherung der dort geltenden subjektiven Beweisführungslast nicht;[405] sie ist lediglich ein Mittel zur Glaubhaftmachung, aber kein Beweismittel (siehe dazu eingehend Rdn 109).
Die Einholung eines Jugendamtsberichts ist nicht zwingend; auch zeitintensive Sachverständigengutachten sind in der Regel nicht einzuholen, da sie dem Beschleunigungsgrundsatz widersprechen.[406] Ebenso wenig soll grundsätzlich ausländisches Recht ermittelt werden. Bei entsprechender Handhabung des HKÜ ist die Einhaltung der Sechs-Wochen-Frist ohne weiteres möglich.[407]
Das BVerfG beherzigt diesen Beschleunigungsgrundsatz eigenen Angaben zufolge, indem es in HKÜ-Verfahren in der Regel vom Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Außervollzugsetzung einer Rückführungsentscheidung absehe, um den Zweck des HKÜ, eine möglichst schnelle Rückführung und Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes sicherzustellen, nicht zu beeinträchtigen.[408]
Mit fortschreitender Zeit lässt sich eine Rückführung zwar immer weniger mit dem Kindeswohl vereinbaren. Allerdings ist der Zeitablauf, der bis zu einer Entscheidung ergeht, kein eigenständiges Rückführungshindernis. Eine derartige Würdigung würde dazu führen, dass die Vorschriften des HKÜ durch bloße Verfahrensverzögerungen unterlaufen werden könnten.[409] Ganz ausnahmsweise mag aber allein die Dauer des Verfahrens – ggf. mitsamt des Vollstreckungsverfahrens – eine andere Sicht rechtfertigen.[410]
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