Rz. 71

Die Art. 2127 der Brüssel IIa-VO[171] regeln die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen; die Art. 2836 Brüssel IIa-VO die Vollstreckbarerklärung.[172]

Nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO sind Entscheidungen (zu öffentlichen Urkunden und Vergleichen s. Art. 46 Brüssel IIa-VO) der Mitgliedsstaaten grundsätzlich anzuerkennen – Grundsatz der automatischen Anerkennung aufgrund gegenseitigen Vertrauens und der gewünschten Titelfreizügigkeit. Die Gründe für die Nichtanerkennung sind daher auf ein Mindestmaß beschränkt. Trotz des Anerkennungsautomatismus kann nach Art. 21 Abs. 3 Brüssel IIa-VO jede interessierte Partei im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat die Feststellung beantragen, dass eine Entscheidung anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist. Gegen die in einem Verfahren auf Nichtanerkennung einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung nach § 21 Abs. 3 Brüssel IIa-VO ist die Rechtsbeschwerde statthaft; allerdings müssen die Zulassungsvoraussetzungen gemäß §§ 32, 28 IntFamRVG i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen, die der Rechtsbeschwerdeführer darzulegen hat.[173]

Der EuGH[174] hat auf Art. 20 Brüssel IIa-VO gegründete Eilmaßnahmen, die von dem für die Hauptsache international unzuständigen Gericht erlassen werden, ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO ausgenommen und den bis dahin bestehenden diesbezüglichen Streit, der zum Vorlagebeschluss des BGH geführt hatte,[175] für die Praxis geklärt. Eine Anerkennung der Eilmaßnahme kommt dann nur aufgrund anderer Rechtsinstrumente in Betracht.[176] Dies gilt auch dann, wenn die eine einstweilige Maßnahme anordnende Entscheidung keine eindeutige Begründung für die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts in der Hauptsache unter Bezugnahme auf eine der in den Art. 8 bis 14 Brüssel IIa-VO genannten Zuständigkeiten enthält, und sich diese auch nicht offensichtlich aus der erlassenen Entscheidung ergibt.[177] Wird die einstweilige Maßnahme indessen von einem Gericht erlassen, das sich – auf die Verordnung gestützt – für hauptsachezuständig gehalten hat, so ist sie nach Maßgabe der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO anzuerkennen.[178] Denn dann beruht sie gerade nicht auf Art. 20 der Verordnung. Im Falle widerrechtlichen Verbringens eines Kindes steht Art. 16 HKÜ einer Entscheidung nach Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO nicht entgegen.[179]

 

Rz. 72

Die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung sind für Sachen betreffend die elterliche Verantwortung in Art. 23 Brüssel IIa-VO abschließend katalogisiert. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ("wird nicht anerkannt") folgt, dass die Anerkennungshindernisse von Amts wegen zu prüfen sind. Die Kataloggründe werden aber in Sachen betreffend die elterliche Verantwortung durch die Nachprüfungsverbote der Art. 24 Brüssel IIa-VO und Art. 26 Brüssel IIa-VO (keine Prüfung der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, keine kollisionsrechtliche Kontrolle und keine révision au fond) beschränkt.

Der Katalog der Anerkennungshindernisse in Sachen betreffend die elterliche Verantwortung findet sich in Art. 23 Brüssel IIa-VO. Diese Vorschrift legt besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl und die Gewährung des rechtlichen Gehörs.

Art. 23a Brüssel IIa-VO enthält die ordre-public-Klausel, nach der ausdrücklich das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung gestattet es einem Gericht eines Mitgliedstaats, das seine Zuständigkeit für die Entscheidung über das Sorgerecht für ein Kind bejaht, nicht, der von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats getroffenen Entscheidung über das Sorgerecht für dieses Kind die Anerkennung zu versagen, sofern unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes keine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts vorliegt.[180] Der ordre public wird grundsätzlich nicht dadurch verletzt, dass dem Kind im Erkenntnisverfahren kein Verfahrensbeistand bestellt worden ist; im nachfolgenden Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren ist dem Kind keinesfalls ein Verfahrensbeistand zu bestellen, weil es dort nicht um eine materiell-rechtliche Entscheidung in Kindschaftssachen i.S.v. § 158 FamFG geht.[181]

Art. 23c gewährleistet das rechtliche Gehör von Verfahrensbeteiligten, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen haben.

Art. 23d Brüssel IIa-VO sichert darüber hinaus das rechtliche Gehör von Personen, in deren elterliche Verantwortung die Entscheidung eingreift.

Art. 23e und f Brüssel IIa-VO regeln den Vorrang von späteren Entscheidungen aus dem Anerkennungsstaat und anzuerkennenden späteren Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten bzw. einem Drittstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Art. 23g Brüssel IIa-VO erhebt die Einhaltung des für die grenzüberschreitende Unterbringung eines Kindes (Art. 56 Brüssel IIa-VO) geltenden Verfahrens zur Anerkennungsvoraussetzung.[182]

 

Rz. 73

Art. 23b Brüssel IIa-VO sich...

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