Rz. 2

Ob und inwieweit dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit oder verschiedene Angelegenheiten vorliegen, ist nach den §§ 15, 16, 17 RVG zu bestimmen.

Auftraggeber ist der, dessen Rechte und Pflichten Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sind. Nicht entscheidend ist also, ob der Rechtsanwalt von mehreren Personen beauftragt worden ist, sondern wen der Rechtsanwalt vertritt. Bei Auftragserteilung durch einen oder mehrere Vertreter, bspw. Eltern als gesetzliche Vertreter oder mehrere Geschäftsführer einer GmbH, ist Auftraggeber im Sinne des RVG der eine Vertretene (Kind oder GmbH), so dass mithin keine Auftraggebermehrheit bei mehreren gesetzlichen Vertretern anzunehmen ist.

 

Rz. 3

Der Auftrag von mehreren Auftraggebern muss nicht zeitgleich erfolgen. Entscheidend ist ein gemeinschaftlicher Auftrag, was sich im Einzelfall nach dem Willen der Auftraggeber richtet. Denkbar ist es, dass mehrere Auftraggeber jeweils einen eigenen Auftrag erteilen, weil sie nicht möchten, dass der jeweils andere erfährt, welche Ansprüche der andere in welcher Höhe geltend macht:

 

Beispiel

Rechtsanwalt R wird von A beauftragt, gegen die Erbengemeinschaft Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche durchzusetzen. Später erscheint ein weiterer Pflichtteilsberechtigter B bei R und beauftragt ihn ebenfalls mit der Durchsetzung seiner Ansprüche gegen dieselbe Erbengemeinschaft.

 

Rz. 4

Ungeachtet der Frage, ob der Rechtsanwalt den zweiten Pflichtteilsberechtigten B im Einzelfall mit Blick auf eine etwaige Interessenkollision vertreten kann und sollte, läge hier kein gemeinschaftlicher Auftrag oder gar die Erweiterung des ersten Auftrages vor. Es handelt sich um zwei Angelegenheiten, die der Rechtsanwalt gesondert für die jeweiligen Auftraggeber gegen die Erbengemeinschaft verfolgt. Die Vergütung entsteht jeweils gesondert. Wird der Rechtsanwalt hingegen von beiden Pflichtteilsberechtigten wegen jeweils eigener Ansprüche gemeinschaftlich gegen die Erbengemeinschaft beauftragt, läge ein Fall des § 7 RVG vor: Die Vergütung entsteht nur einmal, sie erhöht sich nicht nach Nr. 1008 VV RVG, aber die Werte der Einzelgegenstände sind gemäß § 22 Abs. 1 RVG zu addieren.[1] Maßgeblich ist bei dieser Konstellation, dass jeder der beiden Pflichtteilsberechtigten einen eigenen Anspruch hat, den er unabhängig vom anderen Pflichtteilsberechtigten allein zu fordern berechtigt ist.

Dies gilt selbst dann, wenn die Miterben ihrerseits in einer Erbengemeinschaft verbunden sind.[2] Denn Voraussetzung für eine Erhöhung der Geschäfts- und Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG um 0,3 je weiterem Auftraggeber ist die Tätigkeit des Anwalts "in derselben Angelegenheit". Daran würde es in diesem Fall fehlen, weil jeder Auftraggeber einen eigenen Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils geltend macht.

 

Beispiele

(Die Beispiele berücksichtigen nicht, ob eine Vertretung mit Blick auf eine mögliche Interessenkollision überhaupt straf- und berufsrechtlich zulässig wäre.)

Wird der Rechtsanwalt von der Erbengemeinschaft bestehend aus sechs Miterben beauftragt, Nachlassansprüche gegen einen Dritten durchzusetzen, vertritt der Rechtsanwalt die Erbengemeinschaft, bestehend aus sechs Auftraggebern.
Beauftragt ein Miterbe der Erbengemeinschaft bestehend aus sechs Erben den Rechtsanwalt, Ansprüche der Erbengemeinschaft gegen einen Erbschaftsbesitzer geltend zu machen, vertritt der Rechtsanwalt die Erbengemeinschaft (sechs Auftraggeber); gleiches gilt bei einer Räumungsklage der Erbengemeinschaft, wenn der Mietvertrag mit der Erbengemeinschaft bzw. dem Erblasser abgeschlossen worden war.[3]
Erteilen die Eltern als gesetzliche Vertreter des minderjährigen Miterben dem Rechtsanwalt den Auftrag zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, vertritt der Rechtsanwalt den einen minderjährigen Miterben, also einen Auftraggeber.
Beauftragt die alleinsorgeberechtigte Mutter zweier minderjähriger Miterben einen Rechtsanwalt, deren Ansprüche gegen die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung durchzusetzen, vertritt der Rechtsanwalt zwei Auftraggeber.
Erhält der Rechtsanwalt den Auftrag von einem Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft, der nicht Miterbe ist, vertritt er dennoch die Erbengemeinschaft und die Anzahl der Mitglieder derselben entsprich der Anzahl der Auftraggeber.
 

Rz. 5

Ausschlaggebend ist mithin, in wessen Namen, also "für wen" der Rechtsanwalt Ansprüche geltend machen soll. "Für die Frage der Gebührenerhöhung (…) ist auch nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozess als Einheit auftreten. Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind. Das ist bei einer Klage von Miterben auch dann der Fall, wenn nur ein Vertreter mitwirkt und im Prozess der Begr...

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