Rz. 36

Bisher war lediglich das Verhältnis zwischen § 2069 BGB, der vermuteten Ersatzerbenbestimmung, und § 2108 Abs. 2 BGB streitig.[48] Nach derzeit h.M.[49] ist weder der Vermutung des § 2069 BGB noch der Vererblichkeitsregelung des § 2108 Abs. 2 BGB der Vorrang einzuräumen. Maßgeblich ist vielmehr der durch Auslegung im Einzelfall zu ermittelnde Erblasserwille.[50]

 

Rz. 37

Nach Ansicht des BGH[51] kommt es entscheidend auf den Willen des Erblassers im Einzelfall an und weniger auf eine Rangfolge der §§ 2069, 2096 und 2108 Abs. 2 S. 1 BGB. Hierauf stützt auch das BayObLG[52] in seiner Entscheidung vom 30.9.1993 seine Auffassung, wonach trotz ausdrücklicher Nacherbenbestimmung der wirkliche Erblasserwille unter Berücksichtigung aller Alternativen zu ermitteln ist.

Das heißt, dass die Konkurrenzsituation zwischen Ersatzerbfolge und Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts nicht nur dann entsteht, wenn keine ausdrückliche Ersatznacherbfolgebestimmung im Testament enthalten ist, sondern auch dann, wenn durch Auslegung ermittelt wird, dass die Ersatzerbschaft nicht für alle Fälle des Eintritts des Nacherbfalls gelten soll.[53]

Um dieser Problematik gerecht zu werden und um vor überraschenden Folgen dieser Rechtsprechung bewahrt zu bleiben, sollte, sofern dies vom Erblasser gewünscht ist, in der Verfügung von Todes wegen eine ausdrückliche Ersatznacherbenbestimmung,[54] die für jeden Wegfallgrund gelten soll, mit dem gleichzeitigen und ausdrücklichen Ausschluss der Vererblichkeit verbunden werden.[55]

 

Rz. 38

Muster 11.6: Ersatznacherbe und Ausschluss der Vererblichkeit

 

Muster 11.6: Ersatznacherbe und Ausschluss der Vererblichkeit

Ich, _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, bestimme zu meiner alleinigen Erbin meines gesamten Vermögens meine Ehefrau _________________________, geb. am _________________________ in _________________________. Die Alleinerbin ist jedoch nur Vorerbin. Ein Ersatzvorerbe wird entgegen jeder anderslautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel nicht benannt, es gilt die Regelung des § 2102 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass der Nacherbe Ersatzerbe des Vorerben und somit Vollerbe wird.

Zu Nacherben bestimme ich meine Kinder _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, und _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, zu jeweils gleichen Teilen. Fällt einer der Nacherben vor oder nach dem Erbfall weg, gleich aus welchem Grunde, so bestimme ich entgegen jeder anderslautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel seine Abkömmlinge zu Ersatznacherben, wiederum ersatzweise soll – zunächst innerhalb eines Stammes – Anwachsung eintreten.

Schlägt einer der Nacherben die Erbschaft aus, macht er gegen den Willen des Erben seinen Pflichtteil geltend und erhält er ihn auch, dann ist er mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.

Die Nacherbenanwartschaft ist entgegen § 2108 Abs. 2 BGB ausdrücklich nicht vererblich, es gilt die oben angeordnete Ersatznacherbfolge bzw. Anwachsung.

 

Praxishinweis

Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe trifft die Beweislast für einen von der Vermutungsregel des § 2108 Abs. 2 BGB abweichenden Erblasserwillen denjenigen, der sich hierauf beruft.[56]

[48] RGZ 169, 38; BayObLGZ 1951, 570; OLG Köln NJW 1955, 633, wonach aus einer vermuteten Ersatznacherbeneinsetzung nicht auf den Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts geschlossen werden konnte. A.A. OLG Bremen NJW 1970, 1923; OLG Braunschweig FamRZ 1995, 443.
[49] BGH LM § 2108 Nr. 1; BayObLG NJW-RR 1994, 460; FamRZ 1994, 783. Nach Ansicht des BayObLG soll dieser Grundsatz auch für die ausdrückliche Ersatznacherbenberufung gelten. Vgl. hierzu auch Nieder, ZEV 1996, 241.
[50] Vgl. hierzu BayObLG ZEV 1995, 25.
[51] BGH NJW 1963, 1150.
[53] Musielak, ZEV 1995, 5.
[54] Bengel, ZEV 1995, 179.
[55] Langenfeld, Rn 132.

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