Rz. 13

Der Streit oder die Ungewissheit muss "beseitigt" werden, d.h. die Vereinbarung muss einen Erledigungseffekt haben. Hat sie das nicht, liegt keine Einigung vor.

Wird durch die Einigung der ganze Streitfall erledigt, ist – selbstverständlich – Streit oder Ungewissheit "beseitigt".

 

Rz. 14

Eine Einigung kann auch darin bestehen, dass nur ein Teil des Streits oder der Ungewissheit beseitigt wird. Man kann sich z.B. über den Unterhalt für die Kinder einigen, nicht aber über den Ehegattenunterhalt; man kann sich über Unterhaltsrückstände einigen, während über den laufenden Unterhalt weiter gestritten wird. Man kann sich einigen, dass das Mobiliar von Küche und Wohnzimmer herausgegeben wird, und über die restlichen Möbel weiter streiten. In diesen Fällen liegt eine teilweise Beseitigung von Streit oder Ungewissheit vor, die Einigungsgebühr ist möglich (aus dem betreffenden Teilwert).[19]

Es kann auch sein, dass der Streit oder die Ungewissheit für eine bestimmte Zeit beseitigt wird und zwar durch eine Regelung, die unabhängig von dem weiteren Ausgang des Streits oder der Ungewissheit bestehen bleiben soll. Es ist streitig, ob dies für die Einigungsgebühr ausreicht. Die Rechtsprechung ist uneins. Wenn z.B. verabredet wird, dass die Klägerin Getrenntlebensunterhalt bis zur Rechtskraft der Scheidung von monatlich 800,00 EUR bekommt, mit der Maßgabe, dass die Klägerin den Mehrbetrag bekommt, wenn sie den Prozess gewinnt, aber einen etwa zu viel bezahlten Betrag nicht zurückerstatten braucht, genügt das für die Einigungsgebühr.[20] Wird in einem Umgangsrechtsstreit vereinbart, dass der Antragsgegner auf die Dauer von 14 Monaten kein Umgangsrecht ausübt, ist das eine Teilvereinbarung, die der Einigungsgebühr zugänglich ist. Das Umgangsrecht kann ja begrifflich nicht nachgeholt werden (str.).[21] Der Wert der Einigungsgebühr bemisst sich in diesen Fällen nach dem Wert des Streitstoffs, auf den sich die Einigung bezieht (ggf. herabgesetzt gem. § 45 Abs. 3 FamGKG).[22]

Weitere Beispiele sind der Zinsverzicht bis zum Prozessende.[23] Die Benutzungsregelung bis zum Verfahrensende in einem Herausgabestreit (auch in einem Wohnungszuweisungsverfahren)[24] löst die Einigungsgebühr aus. Zur Begründung der Einigungsgebühr wird einerseits auf die Verantwortung hingewiesen, die der Anwalt übernimmt und die damit honoriert werden soll, andererseits darauf, dass in vielen dieser Fälle durch diese Regelung ein einstweiliges Anordnungsverfahren vermieden wird (str.). Gerold/Schmidt/Müller-Rabe nimmt die Einigungsgebühr an, wenn entweder der ganze Streit vorübergehend beseitigt wird oder eine einstweilige Anordnung erspart wird, die sonst hätte beantragt werden können.[25]

 

Rz. 15

Weder Streit noch Ungewissheit wird dagegen beseitigt, die Lösung nur aufgeschoben, wenn die Parteien das Ruhen des Verfahrens vereinbaren. In diesem Fall fällt keine Einigungsgebühr an.[26] Einigen sich die Parteien "zunächst einmal" ein Gutachten einzuholen, ist das keine Einigung i.S.v. Nrn. 1000 ff. VV RVG. Einigen sie sich dagegen, ein Schiedsgutachten einzuholen, soll das eine Einigung i.S.d. Nrn. 1000 ff. VV RVG sein (zweifelhaft).[27] "Einigen" sich die Parteien, es mit einer Mediation zu versuchen, fällt die Einigungsgebühr nicht an (str.).[28]

 

Rz. 16

Fraglich ist, ob eine Regelung, durch welche Tatbestandsmerkmale oder Berechnungsfaktoren "außer Streit gestellt" werden, als "Zwischenvereinbarung" die Voraussetzungen der Einigungsgebühr erfüllt. Gemeint sind Vereinbarungen wie z.B. die Vereinbarung im Unterhaltsprozess, dass "die Leistungsfähigkeit des Beklagten" außer Streit gestellt wird; es kann sein, dass im Zugewinnprozess vereinbart wird: "die Parteien sind sich einig, dass das beiderseitige Anfangsvermögen mit Null anzusetzen ist". Zu diesem Thema "Zwischenvereinbarungen" gibt es eine umfangreiche Kasuistik.[29] Es ist nicht zu bezweifeln, dass derartige "Zwischeneinigungen" das Verfahren vereinfachen können. Es ist ebenso wenig zu bezweifeln, dass der Anwalt, der an einer solchen Zwischenvereinbarung mitwirkt, die Verantwortung dafür übernimmt. Beides sind Gesichtspunkte, die unter teleologischer Auslegung für die Einigungsgebühr sprechen. Es muss dann das Wort "Rechtsverhältnis" auf diese einzelnen Tatbestandsmerkmale bezogen werden. Im Gesetz steht zwar, dass Streit oder Ungewissheit (nicht über Teilprobleme, sondern) über ein "Rechtsverhältnis" gemeint sind und dass diese "beseitigt" werden müssen. Dem wird entgegengehalten, dass mit Rechtsverhältnis auch ein Teilelement gemeint sein könnte und dass die teleologische Auslegung dazu führt, dass die Einigung über Teilelemente ebenfalls eine Einigung i.S.d. Nr. 1000 VV RVG ist. Dem ist zuzustimmen.[30]

 

Rz. 17

In diesem Zusammenhang sind die sog. "rein deklaratorischen" Bestimmungen zu erörtern. Vereinbarungen wie "der Hausrat ist einvernehmlich auseinandergesetzt" oder "es bestehen keine Zugewinnausgleichsansprüche, vorsorglich wird auf solche Ansprüche verzichtet" werden mitunter nur all zu lei...

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