Rz. 56

Auf nachehelichen Ehegattenunterhalt kann verzichtet werden (§ 1585c BGB, ebenso § 16 Abs. 2 LPartG), nicht aber auf künftigen Verwandtenunterhalt, Familienunterhalt, Getrenntlebensunterhalt und den Unterhalt der nichtehelichen Mutter (§§ 1614 Abs. 1, 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1615l Abs. 3 S. 1 BGB).

 

Rz. 57

In vielen Scheidungsvereinbarungen findet sich die Klausel:

Zitat

"Der Antragsteller (oder die Antragsgegnerin oder beide Ehegatten) verzichten wechselseitig auf jeden Unterhaltsanspruch, auch für den Fall der Not, der Gesetzesänderung und der Änderung der Rechtsprechung, und nehmen den Verzicht wechselseitig an".

Diese Standardformulierung hat sich gehalten, obwohl das Unterhaltsrecht seit dem 1.7.1977 einen Notunterhalt im eigentlichen Sinn nicht mehr kennt. Die Formulierung "auch für den Fall der Gesetzesänderung" ist in der Zeit des Übergangs vom früheren zum jetzigen Scheidungsrecht um 1977 entstanden. Angesichts der grundlegenden Änderung des nachehelichen Unterhalts kam die Besorgnis auf, es könnte zwar nicht damals, aber später einmal eine Gesetzesänderung kommen, die die Geschäftsgrundlage solcher Vereinbarungen in Frage stellen könnte. Die Besorgnis ist geschwunden, die Formel ist geblieben und hat mit der Unterhaltsreform 2008 besonders ihre Bedeutung bewiesen. Sie ist nach der Entscheidung des BGH zur Anrechnungsmethode erweitert worden um den Zusatz "für den Fall der Änderung der Rechtsprechung".

aa) Der geforderte und/oder gerichtlich geltend gemachte nacheheliche Unterhalt

 

Rz. 58

Nach dem Grundsatz, dass die Vereinbarung nach dem bewertet wird, "über was" man sich geeinigt hat und nicht "auf was", entsteht dann ein Problem, wenn der Gebührenwert nicht dem wirklichen Wert entspricht. Dies ist bei allen wiederkehrenden Leistungen – Unterhalt, Versorgungsausgleich – der Fall. Beide sind aus sozialen Gründen – um das Unterhalts- und das Versorgungsausgleichsverfahren nicht allzu teuer zu machen – nicht mit dem (kapitalisierten) Wert im Gebührenrecht anzusetzen, sondern mit den gesetzlich vorgeschriebenen Werten, bei Unterhalt also gem. § 51 FamGKG mit dem Jahreswert (zzgl. etwaiger Rückstände). Dieser Gebührenwert entspricht nur ausnahmsweise dem wahren Wert. Auch nach der Unterhaltsreform wird in den meisten Fällen der nacheheliche Unterhalt zumindest für eine Übergangszeit von einigen Jahren geschuldet und nicht nur für 12 Monate. Der Wert des Verzichts deckt sich nicht mit dem Wert der Unterhaltsforderung.[74] Dennoch ist unstreitig, dass der rechtshängig gemachte Unterhaltsanspruch (wie auch der außergerichtlich geforderte Unterhalt) gem. § 23 Abs. 1 RVG mit dem Jahresbetrag nach § 51 Abs. 1 FamGKG (evtl. zzgl. geltend gemachter Rückstände) bewertet wird, auch im Vergleichsfall. Das wird angesichts der weitreichenden Bedeutung eines solchen Unterhaltsverzichts als unbillig empfunden.[75] Als Ausweg wird die Honorarvereinbarung empfohlen.

 

Rz. 59

Überlegungen, die in der Praxis angestellt werden:

Es können verschiedene Überlegungen angestellt werden, die dieses Ergebnis im Einzelfall ändern:

(1) Die nächstliegende Überlegung ist wohl, ob die Abfindung nicht ihrerseits die Forderung war, "über die" man sich verglichen hat. Soweit das der Fall ist, ist die Abfindung und nicht der Jahresbetrag des geforderten Unterhalts anzusetzen.

 

Rz. 60

 

Beispiel

F. klagt monatlichen nachehelichen Unterhalt von 1.500,00 EUR ein. Die Parteien vereinbaren, dass F. den ½ Miteigentumsanteil am Haus erhält (Wert: 100.000,00 EUR) und im Gegenzug auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet.

(Oder: Sie vereinbaren, dass F. 100.000,00 EUR in bar erhält und auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet).

Ist der Wert dieser Einigung der Jahresbetrag des geforderten Unterhalts (18.000,00 EUR) oder ist es der Wert der Haushälfte oder der Barabfindung (100.000,00 EUR)?

 

Rz. 61

Im Beispielsfall war die Übertragung der Haushälfte kein Streitpunkt.

In diesem Fall liegt ein bezifferter Unterhaltsanspruch über 1.500,00 EUR vor. Wenn und solange der laufende Unterhalt gefordert wurde, ist der Jahresbetrag, also 18.000,00 EUR, der Gegenstandswert des Verfahrens (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 51 Abs. 1 FamGKG). Folgt man der Meinung, dass auch im Verzichtsfall der Jahresbetrag des gerichtlich geltend gemachten Unterhalts maßgebend ist, kommt man also zu einem Wert von 18.000,00 EUR. Ist dagegen die Kapitalabfindung verlangt worden (Grundlage ist § 1585 Abs. 2 BGB), ist die geforderte Kapitalabfindung der Gegenstandswert. Dieses Ergebnis zieht heute niemand in Zweifel. Zweifelhaft ist nur, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass anstelle des laufenden Unterhalts die Kapitalabfindung gefordert wurde. Es ist nicht der Regelfall, dass von vornherein, sei es gerichtlich oder außergerichtlich, eine Kapitalabfindung anstelle des laufenden Unterhalts gefordert wird. Vielfach wird, wenn eine Unterhaltsklage anhängig ist, verlangt, dass eine Änderung des ursprünglichen Klageantrages vor dem Abschluss der Vereinbarung vorgenommen wurde. Nur dann soll der geforderte Abfindungsbetrag der Wert der Einigung sein.[76] Es reicht i...

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