Rz. 65

Rechtsanwaltskammer Berlin

[…]

Amtsgericht München

[…]

Unser Zeichen: […]

In Sachen

[…]/[…]

– […] –

erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin entsprechend dem Beschluss

des Amtsgerichts München vom 31.1.2006 das nachstehende

Gutachten

I. Zum Sachverhalt

Der Kläger macht gegenüber seiner Rechtsschutzversicherung einen Anspruch auf Erstattung des restlichen Betrages aus der Kostenrechnung seines Prozessbevollmächtigten geltend.

Der Kläger beauftragte seinen Prozessbevollmächtigten am 4.10.2004 mit seiner Vertretung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren. Dem Beklagten war eine Geldbuße in Höhe von 75,00 EUR wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angedroht worden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm Akteneinsicht und legte gegen den Bußgeldbescheid vom 23.11.2004 Einspruch ein. Darüber hinaus nahm der Prozessbevollmächtigte an den Hauptverhandlungsterminen am 02.03. und 30.6.2005 teil. Das Verfahren endete durch Einstellung.

Mit Rechnung vom 30.6.2005 macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Gebühr gem. § 14 I VV 5100 RVG in Höhe von 85,00 EUR, eine Gebühr gem. § 14 I VV 5103 RVG in Höhe von 135,00 EUR, eine Gebühr gem. § 14 I VV 5109 RVG in Höhe von 135,00 EUR, sowie für die beiden Hauptverhandlungstermine jeweils eine Gebühr gem. § 14 I VV 5110 RVG in Höhe von 215,00 EUR geltend.

Das Gericht ersucht die Rechtsanwaltskammer um ein Gutachten zur Angemessenheit dieser Gebühren.

II. Gutachterliche Beurteilung

1. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht Gebühren gem. § 2 II VV 5100, 5103, 5109, 5110 RVG geltend. Innerhalb des dort jeweils eröffneten Gebührenrahmens setzt der Rechtsanwalt die zutreffende Gebühr nach billigem Ermessen fest (§ 14 1 RVG). Die Festsetzung ist eine einseitige Leistungsbestimmung durch den Gläubiger im Sinne des § 315 BGB. Durch die Ausübung dieses Gestaltungsrechts wird der Inhalt der Schuld mit Verbindlichkeit für beide Seiten festgesetzt. Die Bestimmung kann nur dann durch das Gericht ersetzt werden, wenn sie unbillig war.

Der Rechtsanwalt hat bei der Ausübung seines Ermessens den Umfang seiner Tätigkeit und deren rechtliche und tatsächliche Schwierigkeit zu beachten. Er hat die Bedeutung der Angelegenheit für seinen Auftraggeber und dessen wirtschaftliche Verhältnisse in Rechnung zu stellen (§ 14 1 RVG). Darüber hinaus kann ein besonderes Haftungsrisiko berücksichtigt werden (wie vor).

Wenn sämtliche genannten Umstände durchschnittlicher Art sind, ist die Mittelgebühr anzusetzen. Eine abweichende Gebühr kann jedoch schon gerechtfertigt sein, wenn nur ein Kriterium nicht dem Durchschnitt entspricht. Gegebenenfalls kann auch ein besonders ins Gewicht fallendes Kriterium die übrigen Kriterien kompensieren.

Eine Gebührenbemessung ist nicht schon dann unbillig, wenn sie sich am oberen Rand des durch die Umstände bestimmten Rahmens bewegt. Abweichungen von bis zu 20 % werden im Allgemeinen noch als verbindlich angesehen (Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., § 14, Rn 12 m.w.N.; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl., § 12, Rn 5).

2.1. Gebühr gemäß § 2 II VV 5100 RVG:

– Zur Bedeutung der Angelegenheit für ihn hat der Kläger vorgetragen, er sei beruflich auf den Führerschein angewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass der Führerschein des Klägers durch das Verfahren gefährdet gewesen wäre, sind der Akte nicht zu entnehmen. In dem Bußgeldbescheid vom 23.11.2004 war gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 75,00 EUR festgesetzt sowie die Eintragung von drei Punkten in das Verkehrszentralregister angekündigt worden. Es ist daher eine durchschnittliche Bedeutung anzusetzen.

– Zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hat die Beklagte zurecht darauf hingewiesen, dass die Grundgebühr für die einmalige Einarbeitung entsteht und sich die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers daher auf das Studium des Anhörungsbogens und die Auswertung der Sachverhaltsdarstellung des Klägers beschränkt haben dürfte. Nach alledem ist der Zeitaufwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers als durchschnittlich zu bezeichnen.

– Zur Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hat der Kläger vorgetragen, diese sei überdurchschnittlich gewesen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sein Prozessbevollmächtigter Fachanwalt für Strafrecht sei. Dem ist im Ergebnis nicht zuzustimmen. Es trifft zwar zu, dass eine Spezialisierung auf einem bestimmten Rechtsgebiet gebührenerhöhend zu berücksichtigen ist, dies allerdings nur, wenn die Tätigkeit auf dem – entlegenen – Spezialgebiet erfolgt (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O., § 14 Rn 16). Anhand des sonstigen Parteivortrags sind jedoch keine Anhaltspunkte für eine besondere Schwierigkeit der Angelegenheit ersichtlich, insbesondere ist nicht erkennbar, welche überdurchschnittlich schwierigen rechtlichen Probleme aufgetreten wären. Es wird daher angenommen, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers durchschnittlich schwierig war.

– Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat der Kläger vorgetragen, diese seien als überdurchschnittlich zu bezeichnen. Er erziele ein ...

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