Rz. 13

In der Regel werden in Zivilverfahren die Sachverständigengutachten schriftlich erstattet.

 

Rz. 14

Das Gericht hat von sich aus das Gutachten kritisch zu prüfen. Das Gericht muss insbesondere prüfen, ob eine vollständige Verwertung der vom Gericht vorgegebenen Anknüpfungs- oder Befundtatsachen erfolgte, ob die dem Gutachten zugrunde liegenden juristischen Vorstellungen zutreffend sind und ob das Gutachten in sich widerspruchsfrei und schlüssig ist.[14] Es muss insbesondere Unvollständigkeiten, Unklarheiten und Zweifel von Amts wegen klären. Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Gutachten noch klärungsbedürftige Fragen aufwirft, so kann es den Gutachter zu einer Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens veranlassen oder ihn, wenn das zweckmäßig erscheint, zu einer mündlichen Verhandlung laden und befragen.[15]

 

Rz. 15

Zitat

"Grundsätzlich steht es zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden will. Die Ermessensentscheidung unterliegt jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung dahin, ob das Berufungsgericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft gebraucht hat. Die mündliche Erörterung ist jedenfalls dann geboten, wenn sie zur Klärung […] von Unklarheiten unumgänglich ist."[16]

 

Rz. 16

Zweifel hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen können dabei auch aus einem von einer Partei vorgelegten Privatgutachten entstehen.[17]

 

Rz. 17

§ 411 Abs. 3 ZPO stellt zwar die mündliche Anhörung des Sachverständigen in das Ermessen des Gerichts, das Ermessen ist jedoch gebunden. Es muss insbesondere dahingehend ausgeübt werden, dass vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten zur Beseitigung von Zweifeln und Unklarheiten des Gutachtens genutzt werden.

Bei eklatanten Widersprüchen zwischen einem Privatgutachten und einem Gerichtsgutachten wird daher das Gericht sich häufig veranlasst sehen müssen, zumindest den Gerichtssachverständigen anzuhören,[18] damit dieser zur Gegenauffassung Stellung nimmt. Wichtig ist, dass diese Pflicht des Gerichts unabhängig davon besteht, ob die Partei selbst noch berechtigt ist, eine Ladung des Sachverständigen zu beantragen.[19]

 

Rz. 18

In der Praxis kommt es allerdings häufig vor, dass das Gericht ein Sachverständigengutachten für widerspruchsfrei und für völlig überzeugend hält, eine Partei dagegen nicht. Beantragt die Partei nunmehr die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens, so sind die Gerichte manchmal geneigt, diesen Antrag mit der Begründung abzuweisen, eine weitere Anhörung des Sachverständigen sei nicht erforderlich, das Gutachten des Sachverständigen sei völlig überzeugend und widerspruchsfrei. Auch die vorgebrachten Einwände der Partei gäben keinerlei Anlass, an dieser Einschätzung Abstriche vorzunehmen. Eine derartige Verfahrensweise lässt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht in Einklang bringen.[20]

Zitat

"Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat jede Partei das Recht, die Ladung des Sachverständigen zur Erörterung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung zu verlangen. (…) Das folgt aus § 397 ZPO, der der Partei ausdrücklich ein Fragerecht hinsichtlich derjenigen Umstände zubilligt, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet, und der gemäß § 402 ZPO für den Sachverständigenbeweis entsprechend gilt. Außerdem erfordert es der Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs, der Partei die Möglichkeit einzuräumen, einem Sachverständigen nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens Fragen zu stellen, Bedenken vorzutragen oder ihn um nähere Erläuterung von Zweifelsfragen zu bitten. Dieses Recht der Partei wird von § 411 Abs. 3 ZPO nicht eingeschränkt. Die Vorschrift räumt lediglich dem Gericht ein (pflichtgebundenes) Ermessen ein, den Sachverständigen auch ohne Antrag einer Partei zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden, wenn Zweifel oder Unklarheiten bestehen (…). [Die] §§ 397, 402 ZPO sind zwingend. Das Gericht darf einen Antrag auf mündliche Anhörung nur ablehnen, wenn er verspätet gestellt wird oder rechtsmissbräuchlich ist (…)."[21]

Zitat

"Es kommt indes nicht darauf an, ob das Gericht die Ausführungen des Gutachters für in sich schlüssig und überzeugend hält und daher eine mündliche Erörterung nicht für geboten erachtet. Dies hat nur Bedeutung für die Frage einer gemäß § 411 Abs. 3 ZPO von Amts wegen anzuordnenden Anhörung (…)."[22]

Zitat

"Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob gar zu erwarten ist, daß der Gutachter seine Auffassung ändert. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, daß sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorleg...

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