Rz. 57

Als Gutachter wird vom Gericht entweder eine Einzelperson oder eine Behörde oder eine sonstige öffentliche Stelle bestellt. Vor allem dann, wenn der Leiter eines größeren Sachverständigenbüros, oder bei medizinischen Gutachten ein Chefarzt, mit der Begutachtung beauftragt wird, kommt es immer wieder vor, dass bei der Lektüre des Gutachtens der Eindruck entsteht, dass sich die Beteiligung des vom Gericht bestellten Gutachters auf die Mitunterzeichnung des Gutachtens beschränkt.

 

Rz. 58

Regelmäßig findet man in derartigen Fällen den Hinweis, das Gutachten sei unter Mitwirkung des Sachverständigen X oder des Oberarztes Y bzw. des Assistenzarztes Z erstellt worden. § 407a Abs. 2 ZPO stellt dagegen ausdrücklich klar, dass der bestellte Sachverständige den von ihm erteilten Auftrag selbst erfüllen muss. Der Sachverständige darf nicht den Auftrag zur Begutachtung vollständig oder teilweise auf einen anderen übertragen. Ansonsten würde die ausschließliche Befugnis des Gerichts, den Sachverständigen zu ernennen, unterlaufen. Lediglich Hilfsdienste untergeordneter Bedeutung wie Schreibwerk oder Fertigung von Kopien darf der Sachverständige, ohne dies offen zu legen, in Anspruch nehmen. Die Mitarbeit Dritter muss er dagegen nach der Person und dem Umfang der Beteiligung darlegen. Das bedeutet aber nicht, dass sich die eigene Verantwortung des Sachverständigen auf diese Kenntlichmachung beschränkt. Vielmehr sind Beurteilungs- und Ermessensfragen vom Sachverständigen selbst zu beantworten. Der Sachverständige muss grundsätzlich in jeder Phase der Vorbereitung des Gutachtens die Organisationsgewalt eigenverantwortlich innehaben und sie auch tatsächlich ausüben. Es genügt nicht, wenn der Sachverständige ein von einem Mitarbeiter unterzeichnetes Gutachten nur mit "einverstanden" unterzeichnet.[71] Die herrschende Meinung hält es allerdings für ausreichend, dass der Sachverständige die volle Verantwortung in der Form übernimmt, dass er das Gutachten mit "einverstanden aufgrund eigener Untersuchung sowie Urteilsbildung" unterzeichnet.[72]

Zitat

"Beauftragt nämlich ein Tatsachengericht den Leitenden Arzt einer Klinik mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens, so wünscht das Gericht im allgemeinen dessen persönliche Stellungnahme und Verantwortung; es überlässt dem Klinikleiter im Zweifel lediglich, inwieweit er Hilfspersonen hinzuzieht (…). Dementsprechend ist auch der Gutachtenauftrag des VG im Zweifel dahin zu verstehen, dass Prof. Dr. M. verantwortlicher Sachverständiger und nur zur Zuziehung von Hilfspersonen befugt sein solle. Eine solche Beweisanordnung ist insoweit zulässig, als der gerichtliche Sachverständige nicht verpflichtet ist, sämtliche für die Begutachtung notwendigen Tätigkeiten persönlich vorzunehmen, sondern bei der Vorbereitung und Abfassung des schriftlichen Gutachtens auch geschulte und zuverlässige Hilfskräfte sowie wissenschaftliche Mitarbeiter – namentlich zu einzelnen Untersuchungen – heranziehen darf (…). Der gerichtliche Sachverständige darf hingegen weder einen wissenschaftlichen Mitarbeiter beauftragen, an seiner Stelle das Gutachten verantwortlich zu erstatten, noch kann er die Ernennung zum gerichtlichen Sachverständigen wirksam auf ihn übertragen. Die Mitwirkung von geeigneten Personen findet vielmehr ihre Grenzen darin, daß die volle persönliche Verantwortung des vom Gericht ausgewählten Sachverständigen gewahrt bleiben muß (BGH VersR 1972, 927). Denn verantwortlich für das Gutachten ist der gerichtlich bestellte Sachverständige; er muß diese ihm selbst auferlegte Verantwortung auch nach außen hin erkennbar übernehmen (…). Hilfspersonen dürfen lediglich im “Innenverhältnis' unter der Verantwortung des Sachverständigen tätig werden."[73]

Zitat

"Soweit die Berufung rügt, das Gutachten sei von dem wissenschaftlichen Assistenten Dr. R. und nicht von Dr. E gefertigt worden, geht dieser Angriff fehl. Dr. E hat das Gutachten als leitender Oberarzt der Klinik mit "einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsfindung" unterschrieben. Der Senat hat hierzu in seinem Urt. v. 5.2.1999 – 10 U 518/98 – dargelegt, dass es einem gerichtlichen Sachverständigen gestattet ist, Hilfskräfte und Mitarbeiter – hier Assistenzarzt – zu einzelnen Untersuchungen heranzuziehen. Dieses begegnet insoweit keinen Bedenken, als die Mitwirkung die persönliche Verantwortung des Sachverständigen nicht ausschließt."

Der Sachverständige entzieht sich seiner Gesamtverantwortlichkeit für das Gutachten jedenfalls dann nicht, wenn er das Gutachten nicht nur mit "einverstanden", sondern mit "einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Beurteilung" unterzeichnet.“[74]

Zitat

"Der vom Gericht ausgewählte und beauftragte Sachverständige muß sein Gutachten selbst und eigenverantwortlich erstatten, dazu darf er sich auch seiner namhaft gemachten (§ 407a Abs. 2 ZPO) Hilfskräfte und Mitarbeiter zu einzelnen Untersuchungen und Wertungen bedienen, wenn die Eignung und Zuverlässigkeit dieser Kräfte gewährleistet ist. Die Mitwi...

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