Rz. 428

Ungeachtet der Anforderungen inhaltlicher Art, die an ein Gutachten zu stellen sind, muss entschieden werden, ob der Sachverständige ein schriftliches Gutachten verfassen oder aber sein Gutachten mündlich erstatten soll.

 

Rz. 429

Welche Form der Begutachtung sich empfiehlt, ist jeweils eine Frage des Einzelfalles, sollte aber nicht allein der Beurteilung durch das Gericht überlassen bleiben.

 

Rz. 430

Ein mündliches Gutachten kommt insbesondere dann in Betracht, wenn lediglich eine einfache Fachfrage zu beantworten ist. Die mündliche Gutachtenerstattung hat dann den Vorteil, dass dem Verfahren regelmäßig schnell Fortgang gegeben und dies häufig in einem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme abgeschlossen werden kann.

 

Rz. 431

 

Hinweis

So kann der Bevollmächtigte ggf. anregen, die mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchzuführen, Zeugen beizuziehen und den Sachverständigen unmittelbar seine Feststellungen treffen zu lassen.

Dies kann insbesondere in Bausachen das Verfahren erheblich abkürzen, wenn die Mängel unmittelbar vor Ort in Augenschein genommen werden.

 

Rz. 432

Der Nachteil einer mündlichen Begutachtung liegt darin, dass die Möglichkeit fehlt, dies unmittelbar fachlich zu prüfen und die Aussagen entsprechend zu fixieren. Eine nachträgliche Prüfung durch einen Privatgutachter wird so erschwert. Auch kann der Sachverständige bei Nachfragen nicht an seinen schriftlichen Erläuterungen festgehalten und so in Widersprüche verwickelt werden.

 

Rz. 433

 

Hinweis

Nach einem ausschließlich mündlich erstatteten Gutachten – oder erheblicher mündlicher Ergänzung oder Änderung eines zuvor schriftlich abgefassten Gutachtens – gebietet es der Grundsatz auf rechtliches Gehör, dass die Parteien nach Zugang des Protokolls schriftlich Stellung nehmen können,[248] worauf in der mündlichen Verhandlung anzutragen ist.

 

Rz. 434

Demgegenüber wird eine schriftliche Begutachtung immer dann anzuraten sein, wenn komplexe Sachverhalte umfassend fachlich zu beurteilen sind. Nur auf diese Weise lassen sich auch komplexe und vielschichtige Unterlagen in die Begutachtung einbeziehen, unterschiedliche Ansichten bewerten und eine Auseinandersetzung mit dem widerstreitenden Fachvortrag der Parteien dokumentieren.

 

Rz. 435

 

Hinweis

Dabei muss beachtet werden, dass ein schriftliches Gutachten dem Bevollmächtigten die Möglichkeit gibt, dieses durch einen Privatgutachter oder den Mandanten überprüfen zu lassen.

 

Rz. 436

Sofern das Gericht die mündliche Begutachtung anordnet, muss gleichwohl sowohl seitens des Gerichts als auch der Bevollmächtigten darauf geachtet werden, dass der Sachverständige den Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme sachgerecht vorbereitet. Hierzu kann die vorherige Ortsbesichtigung, etwa der Unfallstelle oder des Bauwerkes gehören. Auch die vorherige Sichtung von Unterlagen, insbesondere ärztlichen Attesten und Berichten kann gefordert sein.

 

Rz. 437

 

Hinweis

Der Bevollmächtigte sollte die umfassende Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen sowie des Sach- und Streitstandes im Termin zur Beweisaufnahme anlässlich der mündlichen Gutachtenerstattung testen, indem er dem Gutachter aus den schriftlichen Unterlagen Vorhalte macht.

 

Rz. 438

Ist ein schriftliches Gutachten in Auftrag gegeben, so ist der Sachverständige verpflichtet, das Gutachten in einer für das Gericht und die Parteien ausreichenden Anzahl bei der Geschäftsstelle des Prozessgerichts niederzulegen.

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