Rz. 526

Befindet sich die Urkunde nicht in Händen des Beweisführers, sondern in Händen des Gegners, so wird der Urkundenbeweis gem. § 421 ZPO durch den Antrag[331] angetreten, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben.

 

Rz. 527

Der Gegner ist nach § 421 ZPO zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer einen Herausgabe- oder Vorlageanspruch nach materiellem Recht gegen den Beweisgegner hat.[332]

 

Rz. 528

Ein solcher Herausgabe- oder Vorlegungsanspruch kann sich aus verschiedenen Normen ergeben:

§ 259 BGB – Rechnungslegungsverpflichtung,
§ 371 BGB – die Verpflichtung zur Rückgabe eines Schuldscheins,
§ 402 BGB – die Verpflichtung des bisherigen Gläubigers, dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung und deren Beweis dienenden Urkunden auszuliefern,
§§ 666, 667 BGB – die Auskunfts-, Rechenschafts- und Herausgabepflicht des Beauftragten,
§ 716 BGB – das Recht des Gesellschafters, die Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft einzusehen und sich aus ihnen eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anzufertigen,
§ 809 BGB – Vorlage einer Sache zur Besichtigung,

§ 810 BGB – das Recht, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, soweit ein rechtliches Interesse besteht,

 

Hinweis

Das Einsichtsrecht besteht immer dann, wenn die Urkunde im Interesse des Beweisführers errichtet wurde oder in der Urkunde ein zwischen dem Beweisführer und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem der Parteien und einem gemeinschaftlichen Vermittler erfolgt sind.

§ 985 BGB – der Herausgabeanspruch des Eigentümers einer Urkunde,
§ 1144 BGB – Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe des Hypothekenbriefes,
Art. 50 WG – Anspruch auf Aushändigung der Wechselpapiere,
§ 118 HGB – Recht des Gesellschafters auf Einsichtnahme in die Handelsbücher und Papiere der OHG,
§ 166 HGB – das Recht auf eine Abschrift des Jahresabschlusses des Kommanditisten in der KG,
§ 233 HGB – Auskunftsanspruch des stillen Gesellschafters,
§ 423 ZPO – Vorlageverpflichtung des Gegners bei Bezugnahme,
§ 836 Abs. 3 ZPO – Herausgabeverpflichtung des Schuldners von Unterlagen, die dem Beweise der gepfändeten Forderung dienen.
 

Rz. 529

In der Praxis ist immer wieder erstaunlich, dass gerade die Möglichkeit, die Vorlage der Urkunde nach §§ 421, 422 ZPO i.V.m. § 810 BGB zu erlangen, weitgehend unbekannt zu sein scheint. Gerade hier liegt eine effektive Möglichkeit der Beweisführung.

 

Rz. 530

Der notwendige Inhalt des Antrages auf Vorlegung der beweiserheblichen Urkunde durch den Gegner ergibt sich aus § 424 ZPO. Danach hat der Antrag auf Vorlegung der Urkunde durch den Gegner zunächst die Urkunde selbst und den Inhalt möglichst vollständig zu bezeichnen. Sodann ist wesentlich, dass die Tatsachen bezeichnet werden, die durch die Urkunde bewiesen werden sollen.[333]

 

Rz. 531

 

Hinweis

Dabei ist ungeschriebenes Tatbestandmerkmal, dass auch dargelegt werden muss, dass die durch die Urkunde zu beweisende Tatsache tatsächlich für die Entscheidung des Rechtsstreites erheblich ist.

 

Rz. 532

Sodann sind die Umstände anzugeben, aus denen sich ergibt, dass der Gegner die Urkunde tatsächlich besitzt. Letztlich ist darzulegen, aus welchem Rechtsgrund sich die Herausgabe oder Vorlageverpflichtung des Gegners ergibt.

 

Rz. 533

Dieser Vorlegungsgrund ist nach § 424 Nr. 5 i.V.m. § 294 ZPO glaubhaft zu machen.[334] Dabei dürfen allerdings an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Antrages keine unangemessenen Anforderungen gestellt werden. Erforderlich ist allein, dass das Gericht sich die Überzeugung verschaffen kann, dass die behauptete Tatsache entscheidungserheblich ist, die vorzulegende Urkunde zum Beweis geeignet ist und die Vorlagepflicht des Gegners besteht. Eine Glaubhaftmachung ist entbehrlich, wenn der Gegner den Vorlegungsgrund nicht bestreitet oder zugesteht.[335]

 

Rz. 534

 

Tipp

Der Beweisführer sollte anregen, dass das Gericht dem Beweisgegner eine Frist zur Vorlage der Urkunde setzt.

 

Rz. 535

Legt der Gegner die Beweisurkunde nicht vor und bestreitet, dass sich diese in seinem Besitz befindet, so ist er nach § 426 ZPO über den Verbleib der Urkunde als Partei zu vernehmen.[336]

 

Rz. 536

Kommt das Gericht nach der Vernehmung zu dem Ergebnis, dass der Gegner die Urkunde nicht im Besitz hat, so kann der Beweisführer den Beweis nicht antreten. Der Beweisantrag geht damit in die Leere. Das Gleiche gilt, wenn die Frage des Besitzes offen bleibt.

 

Rz. 537

Kommt das Gericht dagegen nach der Vernehmung des Gegners und gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer vom Beweisführer vorzutragender und gegebenenfalls zu beweisender Tatsachen zu dem Ergebnis, dass der Beweisführer im Besitz der Urkunde ist, so ordnet es deren Vorlegung an.

 

Rz. 538

Das Gleiche gilt, wenn das Gericht den Antrag nach § 424 ZPO für begründet erachtet und der Gegner zugesteht, dass er im Besitz der Urkunde ist oder ab...

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