Rz. 70

Besteht aufgrund der Beweislage Unsicherheit darüber, ob die begehrten Ansprüche dem Grunde und/oder der Höhe nach in vollem Umfang durchgesetzt werden können, kann die Teilklage prozesstaktisch sinnvoll sein.[32]

 

Rz. 71

Die Teilklage bietet den Vorteil, dass der Streitwert auf den eingeklagten Teil beschränkt und so das Kostenrisiko der Klage begrenzt werden kann. Die Teilklage setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch seiner Natur nach teilbar ist.

 

Rz. 72

In Betracht kommt die Teilklage dann, wenn der Mandant seinen Anspruch zwar schlüssig vortragen kann, jedoch nicht hinreichend sicher ist, ob er diesen auch beweisen kann:

 

Rz. 73

 

Beispiel

K. behauptet, am 25.9.2017 mit B. in einem Café einen Darlehensvertrag über 16.000 EUR geschlossen zu haben. Die Darlehenssumme sollte am 25.12.2017 ohne weitere Kündigung nebst 400 EUR Zinsen zurückgezahlt werden. Mit am Tisch befand sich die Ehefrau des B. sowie weitere drei Arbeitskollegen des B. Diese haben die Vereinbarungen hören können. K. ist sich aber nicht sicher, dass sie dies wahrheitsgemäß vor Gericht bestätigen.

Hier kann es sich für K. empfehlen, zunächst einen kleineren Teilbetrag einzuklagen und den Verlauf der Beweisaufnahme abzuwarten, wenn es ihm nicht gelingt, vorgerichtlich schriftliche Erklärungen der Zeugen zu erhalten. Einerseits besteht die Gefahr, dass sich die Zeugen aufgrund der Nähe zu B. "nicht mehr erinnern", andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie unter dem Eindruck der gerichtlichen Wahrheitspflicht und der diesbezüglichen Belehrung wahrheitsgemäß aussagen.

 

Rz. 74

 

Hinweis

Der Rechtsanwalt hat selbstverständlich auch die Möglichkeit, die Zeugen zuvor außergerichtlich anzuschreiben – zumindest im vorliegenden Beispielsfall die Arbeitskollegen – und um eine Auskunft zu bitten. Dies birgt aber die Gefahr, dass B. als Gegner bereits frühzeitig über die eigene Beweisschwäche informiert ist und die Zeugen sich ohne gerichtliche Ermahnung schriftlich festlegen und bei einer für K. negativen Antwort auf dieser später beharren.

 

Rz. 75

Ergibt sich im Laufe des Prozesses ein für den Kläger positives Zwischenergebnis bzw. Beweisergebnis, kann die Klage jederzeit nach § 264 Nr. 2 ZPO erweitert werden.

 

Rz. 76

 

Beispiel

Nach der Aufklärung zum Haftungsgrund in einer Verkehrsunfallsache teilt der Richter in der mündlichen Verhandlung nach einer Beweisaufnahme mit, dass er von einem Mitverschulden des K. von 30 Prozent ausgeht. Wird dies vom Mandanten akzeptiert, kann versucht werden, mit dem Gegner eine außergerichtliche Einigung auf der Grundlage der Quote 70 : 30 zu erzielen. Anderenfalls kann die Klage um die weiteren Schadenspositionen mit einer Quote von 70 Prozent erhöht werden. Eine solche Klageerhöhung bedarf keiner Zustimmung des Beklagten nach § 263 ZPO. Das Gericht kann sie nicht als nicht sachdienlich nach § 263 ZPO zurückweisen, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt bereits mit der Klage vorgetragen wurde. Die Klageerhöhung ist nicht verspätet, da es sich weder um ein "Angriffsmittel" noch um ein "Vorbringen" handelt, sondern um den Angriff selbst.[33]

 

Rz. 77

 

Hinweis

Es sollte allerdings bei einem solchen Vorgehen darauf geachtet werden, dass zumindest eine Anspruchsposition auch der Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe bedarf, sodass auf jeden Fall ein Beweisbeschluss ergehen muss. Dies ist erforderlich, damit die Klageerhöhung nach der mündlichen Verhandlung, in der der Hinweis erteilt wurde, schriftlich eingereicht werden kann. Die Klageerweiterung kann im Übrigen nur mit Zustimmung des Vorsitzenden mündlich zu Protokoll erklärt werden, § 297 ZPO.

 

Rz. 78

 

Tipp

Verweigert der Vorsitzende die Zustimmung, muss eine Unterbrechung der Sitzung beantragt werden. Der Antrag ist dann schriftlich zu formulieren und nach §§ 297, 160 Nr. 5 ZPO als Anlage zum Protokoll zu geben. Dieser kann auch vorbereitet werden.

 

Rz. 79

Wird so vorgegangen, kann der Beklagte nicht einwenden, dass die Ankündigung des Antrags nicht rechtzeitig war (§§ 335 Abs. 1 Nr. 3, 132 ZPO).

 

Rz. 80

Es müssen allerdings auch die Risiken der Teilklage berücksichtigt werden:

Grundsätzlich hemmt die Klageerhebung die Verjährung, § 204 BGB. Dies gilt bei einer Teilklage aber nur hinsichtlich des rechtshängig gewordenen Teilanspruchs. Im Übrigen läuft die Verjährung weiter.[34] Dies kann angesichts der neuen kurzen Regelverjährung des § 195 BGB von drei Jahren problematisch werden.

 

Hinweis

Der Rechtsanwalt muss die Verjährungsfrist bei einer Teilklage also intensiv überwachen und sich schon bei Klageerhebung eine Frist für die Klageerhöhung für den Fall der drohenden Verjährung notieren. Steht die Erhebung der Teilklage im (Kosten-)Interesse sowohl des Klägers als auch des Beklagten, kann allerdings eine verjährungsverlängernde Vereinbarung nach § 202 Abs. 2 BGB getroffen werden.

Auch für die Rechtskraft gilt, dass sie nur den rechtshängig gewordenen Teilanspruch erfasst, d.h. nur insoweit rechtskräftig die Anspruchsberechtigung feststeht. Dies gilt bei der offenen und de...

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