Rz. 57

Eine in Deutschland noch junge Erscheinungsform der Stiftung ist die sog. Bürgerstiftung.[132] Bei Bürgerstiftungen handelt es sich um Initiativen nach dem Vorbild der US-amerikanischen "Community Foundations". Die Grundlage der Bürgerstiftung bildet der Gedanke, dass die Stiftung von Bürgern für Bürger zur Förderung bestimmter Zwecke gebildet werden kann. So soll jedem Bürger die Möglichkeit gewährt werden, mit kleinen Beiträgen und persönlichem Engagement zur Lösung lokaler Probleme beitragen zu können.[133] Da die Bürgerstiftung keine Definition im Gesetz erfahren hat, wurde in den vergangenen Jahren nach einer merkmalsbezogenen Abgrenzungsformel gesucht. Hierbei hat sich der Bundesverband Deutscher Stiftungen hervorgetan, der in einer Art Empfehlung zur Merkmalbestimmung Kriterien aufstellte, nach der Bürgerstiftungen "gemeinnützig, durch eine Mehrzahl von Stiftern errichtet, wirtschaftlich, politisch und konfessionell unabhängig, geographisch begrenzt tätig, auf Kapitalzuwachs durch Zustiftungen, Projektspenden und unselbstständige Stiftungen angelegt sowie durch eine transparente Arbeit unter aktiver Teilnahme der Stifter geprägt sind".[134]

 

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Diese Merkmalbestimmung hat jedoch eher Werbecharakter und ist mehr als ein Aufruf zur Teilnahme, denn als Definition zu verstehen. Es überrascht nicht, dass die Bürgerstiftungen in den letzten Jahren an Popularität gewonnen haben. Sie sind so zu einem "eigenständigen Realtypus" der zivilrechtlichen Stiftung geworden.[135] Dies liegt auch daran, dass dem Bürger eine einfache "Mitmachstruktur" geboten wird. Schätzungsweise 200 Bürgerstiftungen sind bis zur heutigen Zeit entstanden,[136] sodass man den Schluss ziehen kann, die wachsende Anzahl und Nachfrage an Bürgerstiftungen legitimiere ihre Daseinsberechtigung.

 

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Trotz der wachsenden Popularität von Bürgerstiftungen wird sowohl ihre Zulässigkeit als auch das generelle Erfordernis des Erscheinungstypus einer Bürgerstiftung kritisch betrachtet. So scheint das Konstrukt einer Bürgerstiftung eher bei dem bürgerlichen Verein als bei der Stiftung angesiedelt zu sein.[137] Dies bedeutet jedoch nicht, dass das rechtliche Konzept der klassischen Stiftung nun aufgeweicht und unterlaufen wird.[138] Das Bedürfnis der Bürger an einer größtmöglichen Partizipation mittels Stiftungen mit autonomen Zweckvermögen kann so befriedigt werden. Bei einem abnehmenden Interesse an einer auf Dauer angelegten Mitgliedschaft in Vereinen sowie der sinkenden Bereitschaft, sich als Vereinsmitglied zwangsläufig auch mit verbandstypischen Anliegen auseinandersetzen zu müssen, kommt die Bürgerstiftung dem schnelllebigen Bedürfnis zwangloser Verbundenheit besonders entgegen. Dies ist ein bürgerliches Phänomen, dem das moderne Stiftungsrecht mit der Erscheinungsform der Bürgerstiftung Rechnung trägt.

[132] Vgl. die Ausführungen hierzu in Klein, Diss.
[133] Vgl. Richter/Stumpf, § 12 Rn 2; Zimmermann, NJW 2011, 2931, 2935; Schiffer, NJW 2006, 2528, 2529.
[134] Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor §§ 80–88 Rn 278; "Merkmale" abrufbar unter: www.stiftungen.org/de/projekte/initiative-buergerstiftungen.html.
[135] Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor §§ 80–88 Rn 276.
[136] Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor §§ 80–88 Rn 276; graphische Übersicht der Anzahl von Bürgerstiftungen in Deutschland in den Jahren 1996 – 2006 Walkenhorst, Stiftung & Sponsoring 2007, 22, 23.
[137] MüKo/Weitemeyer, § 80 Rn 226, i.E. ablehnend, aber mit Verweis auf MüKo/Reuter, 6. Auflage, § 81 Rn 122; Reuter, NZG 2004, 939, 944.
[138] V. Campenhausen/Richter/Hof, § 12 Rn 2, 3. Auflage 2014, der zu mehr Augenmaß und Gelassenheit aufruft.

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