A. Überblick

I. Umfang der Angelegenheit

 

Rz. 1

Das gesamte Verbundverfahren, also die Ehesache und die Folgesachen, ist gem. § 16 Nr. 4 RVG eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, so dass der Anwalt seine Gebühren nur einmal aus den nach § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG zusammengerechneten Verfahrenswerten erhält (§ 15 Abs. 2 RVG).

 

Rz. 2

Auch die Auslagen entstehen nur einmal; insbesondere entsteht im gesamten Verbundverfahren nur eine Postentgeltpauschale (siehe Rdn 232). Soweit Dokumentenpauschalen abzurechnen sind, ist für das gesamte Verfahren einheitlich durchzuzählen (siehe Rdn 231).

 

Rz. 3

Das gesamte Verbundverfahren richtet sich auch durchweg nach derselben Fassung des RVG. Gesetzesänderungen während des Verbundverfahrens haben – auch im Falle einer Abtrennung – keine Auswirkungen (§ 60 RVG). Das gilt auch für eventuelle Änderungen der Wertvorschriften des FamGKG (§ 60 Abs. 1 S. 3 RVG).

 

Rz. 4

Zu den Sonderfällen der Abtrennung aus dem Verbund und der Aufnahme in den Verbund siehe Rdn 167 ff., 185 und 185 ff.

 

Rz. 5

Ebenfalls nur eine Angelegenheit ist gegeben, wenn der Scheidungsantrag vom FamG zurückgewiesen worden ist, das OLG diese Entscheidung nach § 146 FamFG aufhebt und die Sache an das FamG zurückverweist (§ 21 Abs. 2 RVG) (siehe Rdn 209 ff.).

 

Rz. 6

Wird dagegen ein Scheidungsantrag zurückgenommen und später erneut gestellt, liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor, auch wenn dazwischen nicht mehr als zwei Kalenderjahre liegen.[1] Unabhängig von der Regelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG löst ein erneut gestellter Scheidungsantrag eine neue Angelegenheit aus. Ihm liegt eine andere Trennungszeit zugrunde, und er schafft andere Stichtage für den Versorgungsausgleich und den Zugewinnausgleich.

 

Beispiel 1: Erneuter Scheidungsantrag nach Rücknahme eines vorherigen Antrags Vermögen

Die Ehefrau hatte im Januar 2017 die Scheidung eingereicht und vorgetragen, die Ehegatten würden seit über einem Jahr getrennt leben. Der Antragsgegner hatte der Scheidung widersprochen und vorgetragen, dass die Eheleute noch bis Oktober 2016 zusammengelebt hätten. Daraufhin hatte die Ehefrau ihren Scheidungsantrag wieder zurückgenommen. Im Oktober 2017 hat die Ehefrau erneut die Scheidung beantragt, da nunmehr das Trennungsjahr unstreitig abgelaufen sei.

Es liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor, so dass der Anwalt in beiden Verfahren seine Vergütung gesondert verlangen kann.

[1] OLG Zweibrücken AGS 2017, 72 = MDR 2017, 366 = Rpfleger 2017, 346 = NZFam 2017, 131 = FF 2017, 130 = RVGreport 2017, 133 = FamRZ 2017, 992; AG Ludwigshafen AGS 2016, 509 = NZFam 2016, 902 = NJW-Spezial 2016, 669.

II. Die Gebühren

 

Rz. 7

Die Gebühren des Anwalts richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen können eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) und/oder eine Aussöhnungsgebühr (Nr. 1001 VV).

 

Rz. 8

Denkbar ist hier auch eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen (Nr. 1010 VV).

B. Gegenstandswert

I. Überblick

 

Rz. 9

Der Gegenstandswert eines Scheidungsverbundverfahrens bemisst sich gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG nach der Summe der Werte von Ehe- und Folgesachen. Die Werte von Ehe- und Folgesachen sind zunächst gesondert zu ermitteln und dann zusammenzurechnen (§ 44 Abs. 2 S. 2 u. 3 FamGKG).

 

Rz. 10

Für die Ehesache und die einzelnen Folgesachen gelten dabei die Wertvorschriften, die auch für die isolierten Verfahren gelten. Lediglich für bestimmte Kindschaftssachen als Folgesachen ist im Verbundverfahren ein von den isolierten Verfahren abweichender Wert vorgesehen (§ 44 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 FamGKG).

II. Ehesache

1. Scheidung

a) Überblick

 

Rz. 11

Der Wert der Scheidungssache ist in § 43 FamGKG geregelt. Der Verfahrenswert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen (§ 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG).

b) Einkommensverhältnisse

aa) Überblick

 

Rz. 12

Der Gesetzgeber hat die Einkommensverhältnisse der beteiligten Ehegatten in § 43 Abs. 2 FamGKG legal definiert. Danach ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.

bb) Grundsätze

 

Rz. 13

Maßgebend ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen beider Ehegatten.

 

Beispiel 2: Ehesache, Nettoeinkommen der Eheleute (I)

Die Ehefrau reicht die Scheidung ein. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes zum Zeitpunkt der Einreichung beträgt 5.000,00 EUR, das der Ehefrau 3.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden.

Das monatliche Nettoeinkommen beider Ehegatten beläuft sich auf (5.000,00 EUR + 3.000,00 EUR =) 8.000,00 EUR. Der Verfahrenswert der Ehesache beträgt folglich (3 x 8.000,00 EUR =) 24.000,00 EUR.

 

Rz. 14

Abzustellen ist dabei gem. § 34 FamGKG auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung. Spätere Veränderungen der Einkommensverhältnisse sind unbeachtlich.

 

Beispiel 3: Ehesache, Nettoeinkommen der Eheleute (II)

Wie vorangegangenes Beispiel; zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist

a) das Einkommen der Ehefrau weggefallen

b) das Einkommen des Mannes auf 7.000,00 EUR gestiegen.

Das Nettoeinkommen beider Ehegatten bei Einreichung ist maßgebend. Weder der nachträgliche Wegfall des Einkommen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge