Rz. 185

Gerät eine bislang isoliert geführte Familiensache durch Anhängigkeit einer Scheidungssache kraft Gesetzes gem. § 137 Abs. 4 FamFG oder durch Verbindung nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 147 ZPO in den Verbund, so gilt ab dann § 16 Nr. 4 RVG. Die Gebühren entstehen ab dann nur einmal aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG). Für die Zeit bis zur Aufnahme in den Verbund bleibt die Angelegenheit dagegen gesondert abrechenbar.

 

Rz. 186

Die Berechnung der mehrfach – also vor und nach Aufnahme – ausgelösten Gebührentatbestände ist nach dem Grundsatz einer Verfahrensverbindung zu behandeln, wobei bereits einmal entstandene Gebühren nicht durch die nachträgliche verfahrensrechtliche Veränderung in Wegfall geraten können, andererseits aus dem bereits berücksichtigten Wert nicht noch einmal neu anfallen können.[127]

 

Beispiel 100: Aufnahme in den Verbund, Kindesunterhalt

Der Anwalt war zunächst in einem isolierten Kindesunterhaltsverfahren vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 3.660,00 EUR). Nach Umzug der Ehefrau mit den Kindern nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Unterhaltsverfahren wurde daraufhin an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Anschließend wurde erstmals verhandelt.

Im isolierten Unterhaltsverfahren ist vor dem AG Köln folgende Vergütung angefallen:

 
I. Isoliertes Verfahren über Kindesunterhalt    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   327,60 EUR
  (Wert: 3.660,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 347,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,04 EUR
Gesamt   413,64 EUR

Diese Vergütung kann nachträglich nicht entfallen, sondern bleibt dem Anwalt erhalten. Nur die weiteren Gebühren richten sich jetzt nach den Regelungen des Verbundverfahrens. Allerdings muss der Wert der Unterhaltssache jetzt im Verbundverfahren bei der Berechnung der Verfahrensgebühr außer Ansatz gelassen werden. Der Anwalt kann die Gebühren aus der Unterhaltssache nicht zweimal abrechnen. Lediglich bei der Terminsgebühr besteht kein Wahlrecht, weil diese Gebühr nicht auch isoliert angefallen ist, sondern nur im Verbund.

 
II. Verbundverfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   592,80 EUR
  (Wert: 7.200,00 EUR – ohne Kindesunterhalt)    
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   724,80 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR – mit Kindesunterhalt)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.337,60 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   254,14 EUR
Gesamt   1.591,74 EUR
Gesamt I. + II.   2.005,38 EUR

Stattdessen kann der Anwalt aber auch nur die Gebühren des Verbundverfahrens abrechnen. Dann darf er den Wert der Kindesunterhaltssache im Verbund mit berücksichtigen. Im Falle einer solchen gemeinsamen Abrechnung würde der Anwalt erhalten:

 
Gemeinsame Abrechnung Verbundverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   785,20 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   724,80 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.530,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   290,70 EUR
Gesamt   1.820,70 EUR

Diese Berechnung wäre für den Anwalt also ungünstiger.

Nach anderer Auffassung[128] ist anzurechnen. Danach würde sich im isolierten Verfahren nichts ändern. Im Verbund wäre wie folgt zu rechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   785,20 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
2. anzurechnen, 1,3-Verfahrensgebühr aus 3.660,00 EUR   – 327,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   724,80 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.202,40 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   228,46 EUR
Gesamt   1.430,86 EUR

Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Abgesehen davon, dass es im RVG keine diesbezügliche Anrechnungsvorschrift gibt, kann die Anrechnungsmethode bei bestimmten Konstellationen zu abweichenden Berechnungen führen.

 

Rz. 187

Handelt es sich bei dem aufgenommenen Verfahren um eine Kindschaftssache, ist zudem zu beachten, dass sich der Wert der Kindschaftssache mit der Aufnahme in den Verbund ändert.

 

Beispiel 101: Aufnahme in den Verbund, Kindschaftssache

Der Anwalt war zunächst vom Mandanten in einem isolierten Umgangsrechtsverfahren vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 3.000,00 EUR – § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG). Nach Umzug der Kindesmutter nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Umgangsrechtsverfahren wurde daraufhin gem. § 153 S. 1 FamFG an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und dort gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Im isolierten Verfahren war bereits verhandelt worden. Im Verbundverfahren wird ei...

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