Rz. 58

Konnte der für einen im fließenden Verkehr begangenen Verstoß Verantwortliche nicht so rechtzeitig ermittelt werden, dass gegen ihn noch ein Bußgeldbescheid verhängt werden konnte, droht dem Halter die Auferlegung eines Fahrtenbuches gem. § 31a StVZO (VGH Mannheim DAR 2011, 100), ohne dass er sich auf sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berufen könnte (OVG Nordrhein-Westfalen NZV 2011, 470).

 

Rz. 59

 

Achtung: Haltereigenschaft

Zwar gilt nach einhelliger Auffassung der Begriff des Halters einheitlich für alle straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, weshalb auch für den Halterbegriff die zu § 7 StVG entwickelten Grundsätze gelten,[9] die Halterbestimmung kann jedoch problematischer sein, als dies auf den ersten Blick scheint. Zwar kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Zulassungsinhaber und Versicherungsnehmer eines Fahrzeuges auch dessen Halter ist, diese Vermutung ist jedoch widerlegbar (OVG Lüneburg DAR 2014, 338), grundsätzlich muss die Haltereigenschaft anhand der tatsächlichen Umstände ermittelt werden (AG Zweibrücken NZV 2019, 270). Beispielsweise können Eltern eines Studenten, der auswärts wohnt und das Kraftfahrzeug auf eigene Kosten und eigenverantwortlich unterhält, trotz der Eintragung im Fahrzeugschein nur Scheinhalter sein (siehe z.B. BGH DAR 1997, 108; AG Norden zfs 2004, 286).

Andererseits bleibt aber auch der Eigentümer eines vermieteten oder sonst an einen Dritten überlassenen Fahrzeuges neben dem Mieter oder Entleiher Halter, während beim Leasing mit der üblichen Vertragsgestaltung alleine der Leasingnehmer Halter ist (OVG NRW zfs 2014, 537; OVG Münster NZV 2015, 55).

Deshalb muss eine Vermietungsfirma, will sie eine Fahrtenbuchauflage vermeiden, den Mieter auch dann benennen (zur Erstattbarkeit der dadurch entstehenden Kosten, siehe § 14 Rdn 53 ff.), wenn dessen Ermittlung mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist (Nds. OVG zfs 2012, 536).

Das gilt auch, wenn der Halter angibt, die Personalien desjenigen, dem er sein Fahrzeug zu einer Probefahrt überlassen hat, nicht zu kennen (VG Braunschweig NZV 2015, 153).

Der Halter verliert seinen Status erst dann, wenn das Fahrzeug völlig seinem Einflussbereich entzogen ist (Nds. OVG zfs 2008, 356; AG Stralsund NZV 2008, 533), was in der Regel bei einem Dienstfahrzeug (OVG Berlin-Brandenburg NJW 2010, 2743) oder dem Fahrzeug eines Rechtsanwaltes, das auch Mandanten zur Verfügung steht (OVG Lüneburg DAR 2011, 163), nicht der Fall ist.

 

Rz. 60

Der VGH Mannheim (NZV 1998, 47) sieht hingegen - zumindest in einem Eilverfahren - bereits in der Zulassung ein ausreichendes Indiz für die Haltereigenschaft der dort angegebenen Person, wenn auch diese Vermutung widerlegbar ist (OVG Lüneburg zfs 2016, 417).

[9] Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 31a StVZO, Rn 14.

I. Allgemeines

1. Verfassungsmäßigkeit

 

Rz. 61

Die Fahrtenbuchauflage ist verfassungsgemäß (BVerfGE 82, 568). Ihre Verhängung ist, auch wenn nur eine Ordnungswidrigkeit zugrunde liegt, verhältnismäßig und erst recht, wenn eine Straftat, wie z.B. eine Unfallflucht, gem. § 142 StGB nicht aufgeklärt werden kann (OVG Münster DAR 2005, 708). Dennoch muss die Entscheidung immer nach den Umständen des Einzelfalles (BVerwG NZV 2000, 386) und unter Ausübung des der Behörde zustehenden Ermessens (Nds. OVG zfs 2015, 415) getroffen werden. Die nachfolgend dargestellten Grundsätze gelten auch nach der Reform des Punktesystems fort (OVG NRW zfs 2016, 359).

2. Wiederholungsgefahr nicht Voraussetzung

 

Rz. 62

Die Fahrtenbuchauflage setzt nicht die Besorgnis voraus, dass gerade der Fahrzeughalter künftig als Fahrer Verstöße begehen werde (BVerwG NZV 1990, 126; VGH Mannheim zfs 1998, 78; OVG Bautzen DAR 2012, 718).

3. Anhörung

 

Rz. 63

Vor der Anordnung ist der Betroffene zwar grundsätzlich anzuhören; das Versäumnis macht die Auflage jedoch nicht unwirksam (BVerwG NJW 1987, 143), ebenso wenig wie ein vorausgehender Hinweis der Behörde auf die Möglichkeit der Verhängung eines Fahrtenbuches Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist (Nds. OVG zfs 2005, 270; a.A. AG Warendorf zfs 2002, 156).

4. Begründung

 

Rz. 64

Die Anordnung ist ausreichend zu begründen (VGH Hessen zfs 1992, 215; VG des Saarlandes zfs 2012, 299; VG Mainz DAR 2013, 163).

5. Sofortige Vollziehung

 

Rz. 65

In der Regel wird die sofortige Vollziehung der Auflage angeordnet. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist regelmäßig deshalb chancenlos, weil das Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht Zulässigkeitsvoraussetzung für die sofortige Vollziehung ist (VGH Mannheim zfs 1998, 78 = NZV 1998, 126). Nach Ablauf der festgesetzten Frist besteht dann auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage (auch in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage) mehr (OVG des Saarlandes zfs 2016, 539).

II. Umfang der Auflage

1. Führung des Fahrtenbuches

 

Rz. 66

Die vom Bundesfinanzhof (NZV 2012, 558) an die Führung eines Fahrtenbuches gestellten und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 - 3 C 13.14) und OVG Lüneburg (DAR 2014, 659) bestätigten Anforderungen sind auch hier zu beachten, d.h. es müssen bei Antritt einer jeden Fahrt zumindest Datum und Ziel der ...

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