Rz. 69

Wie bereits ausgeführt, kann die Anwendung des § 2069 BGB nicht auf andere eingesetzte Erben als Abkömmlinge angewandt werden.[120] Nach Meinung der Rechtsprechung[121] kann aber der dem § 2069 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke, nämlich die Bedenkung des Stammes, bei der ergänzenden Auslegung hinsichtlich einer lückenhaften Verfügung von Todes wegen herangezogen werden, wenn es sich bei der bedachten und weggefallenen Person um einen nahen Angehörigen des Erblassers handelt oder sonst ein besonders enges Verhältnis zu ihm bestanden hat, das mit dem zu einem Abkömmling vergleichbar ist. Das BayObLG[122] führt hierzu aus,[123] dass in der Einsetzung einer dem Erblasser nahestehenden Person (hier die Ehefrau) ein der Auslegung fähiger und aus dem Testament hervorgehender Anhalt für den Willen des Erblassers vorliegt, dass bei Wegfall des Erben dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten. Maßgeblich ist dabei die grundsätzliche Frage, ob der Erblasser den Erben sozusagen als Ersten seines Stammes bedacht hat.[124] Hat der Erblasser den Bedachten eingesetzt, weil dieser seine Versorgung und Betreuung übernommen hat, genügt es nach Auffassung des OLG München nicht, nur darauf abzustellen, dass es sich um eine dem Erblasser nahestehende Person gehandelt hat.[125]

 

Rz. 70

Im Einzelnen ist die Ermittlung eines "hypothetischen" Ersatzerben im Wege der ergänzenden Auslegung entschieden worden für:

den Ehegatten,[126]
Stief- und Geschwisterkinder,[127]
Geschwister,[128]
Mutter,[129]
Tochter der Lebensgefährtin.[130]
 

Rz. 71

In einem solchen Fall kann für den hypothetischen Erblasserwillen in der Einsetzung des Bedachten der nach der Andeutungstheorie erforderliche geringe Anhaltspunkt in der Testamentsurkunde gefunden werden, dass in diesem Falle die Abkömmlinge des Bedachten Ersatzerben werden sollen.[131] Zur abschließenden Feststellung dieser Vermutung können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, wobei auch die Lebenserfahrung einzubeziehen ist.[132]

Nur falls auch durch ergänzende Auslegung im eben dargestellten Sinne keine Ersatzerbenberufung festgestellt werden kann, tritt Anwachsung bei den übrigen Miterben bzw. die gesetzliche Erbfolge ein.

[121] OLG Hamm NJW-RR 1987, 648; BayObLG NJW-RR 1992, 73; BayObLG FamRZ 1993, 1496.
[122] BayObLG NJW 1988, 2744.
[123] Vgl. auch BayObLG FamRZ 1991, 865.
[124] Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FamRZ 2012, 666.
[125] OLG München FamRZ 2014, 514.
[126] OLG Hamburg FamRZ 1988, 1322; KG MDR 1954, 39.
[127] BayObLG NJW-RR 1992,73.
[128] BGH NJW 1973, 242; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FamRZ 2012, 666; OLG München FamRZ 2011, 1692.
[130] BayObLG FamRZ 1991, 865; OLG Düsseldorf ZEV 2012, 662, das eine Einsetzung der Abkömmlinge der Lebensgefährtin des Erblassers abgelehnt hat, wenn sich durch Auslegung der Wille des Erblassers ergibt, dass keine Ersatzerbenbestimmung gewollt war.
[131] Vgl. hierzu auch BGHZ 22, 357.
[132] BayObLGZ 1982, 159 ff.

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