Rz. 46

Kündigt der Versicherungsnehmer in einer nicht beendeten Rechtsangelegenheit den Anwaltsvertrag und beauftragt anschließend einen anderen Anwalt, so sind die Anwaltsgebühren für den zunächst beauftragten Anwalt angefallen, und es entstehen weitere Gebühren für den neu beauftragten Anwalt und somit Mehrkosten.

 

Rz. 47

Mehrkosten sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Anwaltswechsel objektiv notwendig war. Einmal ist dies der Fall, wenn der Wechsel aus einem Grund erfolgte, der weder vom Anwalt noch vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der beauftragte Anwalt seine Anwaltstätigkeit aufgibt, oder bei Tod des Anwaltes oder bei unvorhergesehenem Verlust der Zulassung des nicht in einer Anwaltssozietät tätigen Anwaltes. In diesem Fall sind die Voraussetzungen objektiv für einen Anwaltswechsel gegeben mit der Folge, dass die Mehrkosten unter Rechtsschutzdeckung stehen. "Mehrkosten für einen zweiten Rechtsanwalt sind erstattungsfähig, wenn der erste Prozessbevollmächtigte seine Zulassung zur Anwaltschaft aus achtenswerten Gründen zurückgegeben hat und dies bei Übernahme des Mandates nicht absehbar war."[42]

Anders liegt der Sachverhalt, wenn der Anwaltswechsel erfolgt aus Gründen, die in der subjektiven Sphäre des Versicherungsnehmers oder des bisherigen Anwaltes liegen. In diesem Falle stehen Mehraufwendungen nicht unter Rechtsschutzdeckung.

 

Rz. 48

Es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung bei Anwaltswechsel von dem Grund abhängt, aus dem gewechselt wurde. Im außergerichtlichen Bereich sind entstehende Mehrkosten nur dann zu übernehmen, wenn der Wechsel in der Person des Rechtsanwaltes objektiv notwendig, d.h. mehr oder weniger zwangsläufig war. Dies ist dann der Fall, wenn der Wechsel aufgrund eines Sachverhaltes erfolgt, der nach allgemeiner Erfahrung weder vom Anwalt noch vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist.[43]

 

Beispiel

Im Laufe der Mandatsführung wird eine potenzielle Interessenkollision offenbar.

 

Rz. 49

Eine spezielle Situation ist gegeben, wenn die Kündigung des Anwaltsvertrages erfolgt aufgrund eines unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Anwaltsversehens. In diesem Fall sind gem. § 628 Abs. 1 BGB die bisherigen Leistungen nicht mehr von Interesse. Dies ist gegeben, wenn ein neuer Anwalt beauftragt werden muss, für den die gleichen Gebühren anfallen. In diesem Fall steht die Vergütung für den neuen Anwalt unter Rechtsschutzdeckung.[44] Das Gleiche gilt, wenn der zuvor beauftragte Anwalt seine Zulassung verliert, etwa wegen Vermögensverfalls. In diesem Fall besteht Anspruch auf Rechtsschutzdeckung auch für die Vergütung des zu beauftragenden weiteren Anwaltes.

 

Rz. 50

Grundsätzlich hat die Rechtsschutzversicherung also die Kosten nur "eines" Anwaltes zu tragen. Die Auslegung nach dem Sinn und Zweck ergibt, dass das Wort "eines" hier als Zahlwort zu verstehen ist. Die Inanspruchnahme eines weiteren Rechtsanwaltes ist nur in Ausnahmefällen zu erstatten, wenn etwa der Wechsel des Rechtsanwaltes objektiv notwendig und zwangsläufig war.[45] Dies ist sicherlich dann der Fall, wenn der beauftragte Anwalt die Zulassung verliert. War aufseiten des Versicherungsnehmers eine Mehrheit von Anwälten, also eine Anwaltssozietät tätig, so kommt in Betracht, dass das Mandat ohne Anwaltswechsel bei der Sozietät fortgeführt wird, wenn hiergegen nicht gewichtige Gründe sprechen (vgl. Rn 62).

 

Rz. 51

Anzuführen ist auch der unproblematische Fall, in dem ein Anwaltswechsel dadurch bedingt ist, dass die Interessenwahrnehmung in der nächst höheren Instanz durch einen bei dieser Instanz zugelassenen Anwalt wahrzunehmen ist. In diesen Fällen entstehen keine Mehrkosten, da die Gebühren gem. § 15 RVG je Instanz anfallen.

 

Rz. 52

Unzutreffend ist die Darstellung bei Plote, dass bei einem Anwaltsversehen der Vergütungsanspruch gem. § 628 Abs. 1 BGB entfällt. Richtig ist vielmehr, dass ein Anwaltsversehen zur Folge hat, dass der Versicherungsnehmer gegenüber dem entstandenen und fortbestehenden Gebührenanspruch des Anwaltes mit einem eigenen Schadenersatzanspruch aufrechnen kann, der in der Regel auch die – nutzlos entstandenen – Anwaltsgebühren ganz oder zum Teil umfasst. Dies hat zur Folge, dass der Anwalt seinen Gebührenanspruch ganz oder teilweise verliert (vgl. § 25 Rn 41 f.).[46]

Zur Einschaltung eines ausländischen Anwaltes vgl. nachfolgend (siehe Rn 243 ff.).

 

Rz. 53

Bauer[47] befasst sich ausführlich mit der Darstellung der Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung der Regelung in den Bedingungen "eines" für den Versicherungsnehmer tätigen Anwaltes. Hierbei ist die Problematik behandelt, die sich nicht selten ergibt, nämlich der zunächst tätige Anwalt behandelt das Mandat mit einem geringeren Streitwert, während sich nach Anwaltswechsel ein wesentlich höherer Streitwert ergibt.

 

Beispiel

Der Versicherungsnehmer wird in einer Unfallkraftschadenangelegenheit vertreten durch einen Anwalt. Dieser macht Ansprüche geltend in einer Größenordnung von 200.0...

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