Rz. 70

Die Zustellung kann durch das Zustellungsorgan, d.h. den Postbediensteten, den Justizbediensteten oder den Gerichtsvollzieher erfolgen und mittels einer Zustellungsurkunde dokumentiert werden.

 

Rz. 71

Die Zustellung ist nach § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO auf dem dafür nach § 190 ZPO vorgesehenen Vordruck zu beurkunden. Der wesentliche Inhalt der Zustellungsurkunde ergibt sich aus § 182 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 72

Fehlt es an den erforderlichen Angaben in der Zustellungsurkunde, führt dies zunächst nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Die fehlenden Angaben können allerdings den Beweiswert der Urkunde beeinträchtigen[50] und dann im praktischen Ergebnis doch zur Wirkungslosigkeit der Zustellung führen. Eine nicht nachzuweisende Zustellung stellt sich für den von der Zustellung Begünstigten wie eine unterbliebene Zustellung dar.

 

Rz. 73

 

Hinweis

Für den Rechtsanwalt wie andere Beteiligte, etwa Inkassodienstleister oder die Parteien selbst gilt es, die Vollständigkeit der Zustellungsurkunde zu überprüfen, wenn anderenfalls dem Mandanten Rechtsnachteile drohen. Hierfür kann er sich auch der Akteneinsicht bedienen. Die Überprüfung der Zustellungsurkunde des Gegners kann sich dann empfehlen, wenn sich aus der fehlerhaften Zustellung Rechtsvorteile für den Mandanten ergeben. Dies kann insbesondere bei Rangvorteilen in der Zwangsvollstreckung der Fall sein.[51]

 

Rz. 74

 

Tipp

Allerdings kann das Gericht eine unvollständige oder fehlerhafte Urkunde im Rahmen von § 419 ZPO auch frei würdigen. Hiermit kann sich der Rechtsanwalt im Zweifelsfall behelfen. Sofern möglich, sollte bei fehlerhaften, unvollständigen oder veränderten Zustellungsurkunden regelmäßig eine erneute Zustellung veranlasst werden, um zukünftige Rechtsnachteile zu vermeiden.

 

Rz. 75

 

Hinweis

Wenn der Schuldner/Gegner eine Geschäftsanschrift bewusst und zielgerichtet falsch angegeben hat, kann er sich auf eine fehlerhafte Zustellung nicht berufen, es sei denn, dass dies dem Zustellenden bekannt ist.[52]

 

Rz. 76

Die Zustellungsurkunde stellt eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO dar. Dies gilt auch dann, wenn die Zustellung durch ein privates Postunternehmen nach § 33 PostG ausgeführt wurde, da dieses als Beliehener tätig wird.

 

Rz. 77

Die Zustellungsurkunde begründet dann nach §§ 418, 182 Abs. 1 S. 2, 168 Abs. 1 S. 2 ZPO vollen Beweis dafür, dass das zuzustellende Schriftstück am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit an die zu bezeichnende Person übergeben wurde.[53]

 

Rz. 78

 

Hinweis

Das Gegenteil bedarf des Vollbeweises.[54]

 

Rz. 79

Wird an eine rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Person zugestellt, erbringt die Urkunde zugleich vollen Beweis dafür, dass die schriftliche Vollmachtsurkunde nach § 171 S. 2 ZPO vorgelegen hat.

 

Rz. 80

Die Zustellung kann nach § 177 ZPO an jedem Ort erfolgen, an dem der Zustellungsadressat angetroffen wird. Zulässig ist also auch eine Zustellung am Arbeitsplatz des Adressaten. Aus dem Wortlaut ergibt sich die persönliche Übergabe, keine Ersatzzustellung.

 

Rz. 81

 

Hinweis

Der Empfänger kann bei Zustellung mittels Telekopie die Annahme nicht mit der Begründung verweigern, der für die Übermittlung gewählte Fax-Anschluss sei nicht zum Empfang von zuzustellenden Sendungen bestimmt.[55]

 

Rz. 82

Die frühere Regelung des § 188 ZPO a.F. wurde ersatzlos aufgehoben und nicht in § 177 ZPO überführt. Damit ist die zulässige Zustellungszeit zunächst gesetzlich nicht definiert. Gleichwohl wird davon auszugehen sein, dass eine Zustellung an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit nicht durchgeführt werden darf.[56]

 

Rz. 83

 

Hinweis

Zur Bestimmung der Nachtzeit wird auf § 758a ZPO zurückgegriffen werden können, wonach unter Nachtzeit die Zeit zwischen 21.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens zu verstehen ist.

 

Rz. 84

Erfolgt die Zustellung zur Unzeit, so ist der Zustellungsadressat bzw. -empfänger berechtigt, die Zustellung abzulehnen, ohne dass die Zustellungswirkung nach § 179 ZPO eintritt.

 

Rz. 85

Die zum Nachweis der erfolgten Zustellung erforderliche Zustellungsurkunde kann der Rechtsanwalt nicht erlangen, wenn die Zustellung von Amts wegen erfolgt. Die Zustellungsurkunden werden für diesen Fall zu den Akten genommen. Um den Nachweis der Zustellung gleichwohl führen zu können, gibt § 169 ZPO dem Rechtsanwalt die Möglichkeit, auf Antrag[57] von der Geschäftsstelle des die Zustellung veranlassenden Gerichts eine Zustellbescheinigung zu erlangen.

 

Rz. 86

 

Hinweis

Die Zustellungsurkunden werden nach Abschluss des Verfahrens und Ablauf der Aufbewahrungsfrist von regelmäßig fünf Jahren vernichtet. Rechtsanwalt und Inkassodienstleister sollten daher grundsätzlich eine Zustellbescheinigung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung anfordern, wenn die titulierte Forderung nicht zeitnah ausgeglichen wird. Das Gleiche gilt hinsichtlich einer beglaubigten Abschrift der Zustellungsurkunde, wenn die Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland nicht auszuschließen ist.

[50] Zöller/Schultzky, § 182 Rn 16, ff.
[51] Zur Zwangsvollstreckung vgl. Goebel, AnwF Zwangsvollstreckung, 5. Aufl.

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