Rz. 65

Verstößt der Arbeitgeber bei seiner Recherche gegen die Vorschriften der DSGVO oder des Bundesdatenschutzgesetzes, stellt sich die Frage, ob er die erhobenen Daten in einem späteren Rechtsstreit verwenden darf.

Grundsätzlich kennt das deutsche Zivilprozessrecht kein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot.[96] Das Gericht entscheidet auf der Grundlage von § 286 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung und des Ergebnisses einer möglichen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung. In einem gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten jedoch in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Nach Art. 1 Abs. 2 GG ist er damit bei seiner Urteilsfindung an die maßgeblichen Grundrechte gebunden.

 

Rz. 66

Im Arbeitsverhältnis ist insbesondere das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten, das bei einer Informationsgewinnung durch den Arbeitgeber verletzt sein kann. Zwar ist nicht jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar. Vielmehr kommt es darauf an, ob mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre.[97] Gerade wenn der Arbeitgeber Daten unter Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers gewonnen hat und hieraus Rechte gegen den Arbeitnehmer herleitet, kann aber ein solcher Eingriff oder dessen Perpetuierung vorliegen.[98]

 

Rz. 67

Das BAG hat die Frage offen gelassen, ob bei einer heimlichen arbeitgeberseitigen Kontrolle des Spinds des Arbeitnehmers bei Diebstahlsverdacht § 26 BDSG (damals noch § 32 BDSG a.F.) einschlägig ist, da für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung des Spinds gegenüber einer unmittelbar an Art. 2 Abs. 1 GG orientierten Prüfung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht die gleichen Voraussetzungen gelten.[99] In dem entschiedenen Fall hat das BAG ein Verwertungsverbot angenommen, da dem Arbeitgeber mildere, gleich effektive Mittel zur Verfügung standen.

 

Rz. 68

Ein Verwertungsverbot besteht für die Daten, die Arbeitgeber – ohne Verdacht einer Straftat – durch den Einsatz von Keyloggern auf dem Computer des Arbeitnehmers erlangt, die sämtliche Tastatureingaben protokollieren und in regelmäßigen Abständen Screenshots anfertigen.[100] Die Maßnahme war unzulässig, da die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 BDSG (bzw. damals noch § 32 Abs. 1 BDSG a.F.) nicht vorlagen und hat den Mitarbeiter in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

 

Rz. 69

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte[101] hat zudem noch entschieden, dass die heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers, der verbotenerweise während der Arbeitszeit einen Messengerdienst privat nutzt, gegen das Recht auf Privatsphäre (Art. 8 EMRK) verstößt. Der Arbeitgeber hatte die Unterhaltung aufgezeichnet. Der EGMR war der Ansicht, dass mildere Mittel hätten geprüft werden müssen. Aus dem Verbot der privaten Nutzung resultiere nicht automatisch ein Recht zur Überwachung und Aufzeichnung. Der Arbeitnehmer hätte vorab über die Möglichkeit von Kontrollen sowie deren Art und Ausmaß informiert werden müssen. Eine Überwachung sei nur zulässig, soweit diese verhältnismäßig ist.

 

Rz. 70

Das LAG Köln entschied, dass eine datenschutzrechtlich zulässige Auswertung von Browserverlauf und E-Mail-Nutzung unter der Rechtgrundlage des § 32 Abs. 1 BDSG a.F./§ 26 Abs. 1 BDSG n.F. kein prozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht. Im zu entscheidenden Fall nutzte der Arbeitnehmer trotz Verbots Internet und E-Mail privat. Dies führte jedenfalls zu einer sekundären Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer.[102]

 

Rz. 71

Das BAG[103] hat bei Daten ("Zufallsfund") aus einer gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG (bzw. damals § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F.) gerechtfertigten verdeckten Videoüberwachung die Verwertbarkeit nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG (bzw. damals § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F.) bejaht.

 

Rz. 72

Nach dem LAG Hamm[104] können auch Skype-Chatprotokolle verwertbar sein. Etwaige Verstöße gegen § 26 BDSG (§ 32 BDSG a.F.) sowie § 88 TKG führen nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot. Ein solches kann sich je nach Einzelfall allerdings aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben.

 

Rz. 73

Das Arbeitsgericht Mannheim[105] hat in einem Kündigungsschutzprozess eine Verwertbarkeit von Fotos angenommen, die der gekündigte Mitarbeiter öffentlich auf seiner Facebookseite eingestellt hatte.

 

Rz. 74

Bei in sozialen Netzwerken erlangten (kündigungs-)relevanten Informationen (vgl. die genannten Entscheidungen in Rdn 51 ff.) ist die Möglichkeit der prozessualen Verwertbarkeit am allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu messen.[106] Nicht jeder Verstoß gegen Datenschutzrecht hat automatisch ein Verwertungsverbot zur Folge.[107] So wird eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts regelmäßig abzulehnen sein, wenn...

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