Rz. 12

Hierbei geht es in der Regel um eine Anpassung des Abfindungsbetrages, wenn den Parteien unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ein Festhalten an dem geschlossenen Vergleich nicht zugemutet werden kann. In der Praxis spielt diese Form des Loslösens von dem ursprünglichen Vergleich die größte Rolle. Es ist bei später auftretenden schwerwiegenden Spätschäden des Geschädigten eine Anpassung möglich. Die Rechtsprechung sagt, es sei für den Geschädigten eine ungewöhnliche Härte, wenn sich dieser an den nunmehr geschlossenen Vergleich halten müsse (LG Bremen, VersR 1992, 230). Allerdings führt nicht jede unvorhersehbare Spätfolge zu einer Anpassung des Vergleiches (OLG Hamm, NZV 2000, 127). Ferner muss der Geschädigte für den Fall, dass er sich von dem Vergleich lossagen und diesen anpassen will, darlegen, warum er an dem ursprünglich geschlossenen Vergleich nicht festhalten kann. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Geschädigten. Nach der Rechtsprechung muss es sich beim Auftreten der Spätschäden um ein krasses Missverhältnis zwischen Schaden und Abfindungsbetrag handeln. Wann ein solches krasses Missverhältnis vorliegt, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

 

Rz. 13

Versicherer zitieren in diesem Zusammenhang immer wieder gerne die Entscheidung des OLG Frankfurt, zfs 2004, 16, wonach ein solches krasses Missverhältnis erst ab dem Faktor 10 vorliegen würde. In dieser Entscheidung ging es um eine Klage auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes nach Abschluss eines Abfindungsvergleiches. Der Anspruchsteller hatte im Alter von 10 Jahren eine Querschnittslähmung erlitten und kurz nach seinem 18. Geburtstag eine Abfindungserklärung unterzeichnet, wobei eine Entschädigungssumme von insgesamt 660.000 DM zu zahlen war. Von der Regelung waren auch Schäden umfasst, die zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar, aber vorstellbar waren. Der Gesundheitszustand hat sich später beim Anspruchsteller verschlechtert. Er konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben und wurde zum Pflegefall. Der Anspruchsteller hat später eine Erhöhung des Schmerzensgeldes gefordert. Das Landgericht hatte seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgewiesen. Hiergegen hatte er sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde jedoch als unzulässig zurückgewiesen. Das OLG Frankfurt hat darauf hingewiesen, dass bei einem Abfindungsvergleich grundsätzlich der Berechtigte das Risiko übernimmt, dass die für die Berechnung maßgeblichen Faktoren auf Schätzungen beruhen. Sinn und Zweck eines solchen Vergleiches ist gerade, dass die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung eines Schadens ausgeräumt werden soll. Ein Abfindungsvergleich deckt nach Ansicht des Gerichts auch absehbare Risiken und zu einem solchen Risiko zählt nun einmal auch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Das Gericht führt dann in seiner Entscheidung aus, dass es dem Anspruchsteller, der zudem noch anwaltlich vertreten war, problemlos freigestanden hätte, in die Abfindungserklärung einen entsprechenden Vorbehalt aufzunehmen. (Anmerkung der Verfasser: Das darf bezweifelt werden. Ob der Versicherer dazu tatsächlich bereit war, ist Jahre später nicht mehr aufklärbar und hätte im Übrigen der vom Versicherer forcierten endgültigen Erledigung entgegengestanden.)

 

Rz. 14

Genau dies ist generell das Problem bei Abfindungserklärungen. Insofern kann auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Vorbehaltes nicht oft genug hingewiesen werden. Das Gericht kommt dann in seiner Kernaussage zu dem Ergebnis, dass nur, wenn ein krasses Missverhältnis besteht, eine Anpassung eines Vergleiches nach § 313 Abs. 1 BGB möglich ist. Hierzu führt es wörtlich aus:

Zitat

"Im Übrigen kann schon gar nicht bei der Frage einer etwaigen Äquivalenzstörung zugrunde gelegt werden, dass sich möglicherweise die Schadensersatzbeträge, die heute teilweise im Rahmen des Ausgleichs von Personenschäden gezahlt werden, gegenüber der Zeit, zu der der Abfindungsvergleich geschlossen wurde, nicht unerheblich erhöht haben. Abgesehen davon wäre selbst unter dieser Voraussetzung eine krasse Äquivalenzstörung um den Faktor 10, wie sie der BGH in seinem Urteil VersR 1966, 243, 244 angenommen hatte, nicht gegeben.""

Es kann sicherlich nicht generell gesagt werden, dass immer erst bei einem Faktor 10 ein solches krasses Missverhältnis gegeben ist. Diese Entscheidung zeigt allerdings, dass geringfügige Änderungen oder das Auftreten von Spätschäden nicht automatisch zu einer Anpassung des Vergleichs führen.

 

Rz. 15

In der Entscheidung des OLG Köln (NJW-RR 1988, 924 ff.) lag ein krasses Missverhältnis zwischen Schaden und Abfindungssumme vor, da der Zukunftsschaden bei der Festlegung der Abfindungssumme nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte. In diesem Fall ging es um einen Vergleich in Höhe von 6.000 DM, anstatt einer angemessenen Summe von 25.000 DM.

 

Rz. 16

In einem weiteren Fall, in dem die Rechtsprechung eine Anpassung eines Vergleiches vorgenommen hat, ging es beim OLG Oldenburg (zfs 2003, 590) darum, dass der E...

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