Rz. 111

Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur hat der Anwalt seinen Mandanten vor Abschluss des Vergleiches über den Inhalt sowie die Vor- und Nachteile umfassend aufzuklären (BGH NJW 2002, 292 ff. m.w.N.; OLG Celle v. 6.5.2009 – 3 U 294/08 = OLGR Celle 2009, 661 ff.; AG Karlsruhe-Durlach AnwBl 2008, 793 ff.; Euler, SVR 2005, 18; Nehls, SVR 2005, 166; Nugel, zfs 2006, 191; Schah Sedi/Schah Sedi, zfs 2008, 494). Der Mandant muss darauf basierend eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Abschluss oder Nichtabschluss eines Abfindungsvergleiches treffen können (Euler, SVR 2005, 18). Über die Anforderungen hinausgehend hat der Arbeitskreis III des 43. VGT 2005 in Goslar die Empfehlung ausgesprochen, dass der Rechtsanwalt auch über die alternative Rentenzahlung aufzuklären hat (Empfehlungen des Arbeitskreises III, 43. VGT 2005, S. 9).

 

Rz. 112

Der Rechtsanwalt muss deshalb im Einzelnen darlegen, welche Aspekte für und welche Aspekte gegen den Abschluss des Vergleiches sprechen. Chancen und Risiken für den Mandanten müssen herausgearbeitet werden und es ist darüber aufzuklären, welche Art von Schadensersatzansprüchen dem Grunde und der Höhe nach abgegolten werden. Dem außergerichtlichen Abfindungsangebot ist gegenüberzustellen, wie ein Gericht bei Rechtshängigkeit voraussichtlich entscheiden würde und zwar sowohl im Falle einer Verurteilung zur Rentenzahlung als auch im Einzelfall bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB. Der Mandant ist auch für den Fall einer Kapitalisierung einzelner oder aller Schadenspositionen über den Kapitalisierungszins und dessen Ermittlung aufzuklären. Hinsichtlich jeder einzelnen Schadensersatzposition, die rentenfähig ist, muss der Anwalt dem Mandanten den Rentenbetrag und den korrespondierenden Barwert bei Abfindung gegenüberstellen. Um sein Haftungsrisiko gering zu halten, sollte der Rechtsanwalt die Empfehlungen des 43. VGT 2005 im Arbeitskreis III umsetzen. Die dort geforderte weitere Aufklärung über die alternative Rentenzahlung bedeutet nichts anderes, als dem Mandanten im Detail vorzurechnen, welcher Rentenbetrag auf den einzelnen Schadensersatzanspruch zu zahlen ist und demgegenüber welcher Barwert sich aus der Rente ermittelt, der mit dem Abfindungsbetrag abgegolten sein soll. Nur wenn der Mandant in Kenntnis darüber gesetzt ist, wie der Barwert seines Rentenanspruches errechnet wird und welche Berechnungsparameter (Laufzeit der Renten und Zinsfuß) zugrunde liegen, kann er eine sachgerechte und interessengerechte Entscheidung für sich selbst treffen.

 

Rz. 113

Der Anwalt, der den vom Versicherer angebotenen Abfindungsgesamtbetrag für seinen Mandanten nicht rechnerisch zerlegt und nicht auch auf alternative Berechnungsergebnisse bei Anwendung eines Zinsfußes von weniger als 5 % hinweist, erhöht – häufig ohne sich darüber im Klaren zu sein – sein Haftungsrisiko immens. So können sich hier leicht Regresssummen im hohen sechsstelligen Euro-Bereich ergeben.

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