Rz. 85

Die im nachfolgenden zusammengestellten Tipps für die Durchführung des Regulierungsgespräches basieren ausschließlich auf jahrelanger Erfahrung und Auswertung von mehreren Hunderten Regulierungsgesprächen der Verfasser beim Personenschaden. Literatur zu diesem Thema ist – soweit ersichtlich – bislang in dieser Form nicht vorhanden.

 

Rz. 86

Wenn im Folgenden der Begriff des Regulierungsgesprächs Verwendung findet, dann ist damit in der Mehrzahl der Fälle das persönliche Gespräch zwischen Rechtsanwalt und schadensregulierendem Sachbearbeiter eines Haftpflichtversicherers gemeint, aber auch alternativ die fernmündliche Verhandlung der Schadensersatzansprüche. Zudem besteht die Möglichkeit über sog. Außenregulierer in der Kanzlei des Rechtsanwalts zu verhandeln, wobei diese Möglichkeit aufgrund von Personaleinsparungen bei den Versicherern immer weniger zum Tragen kommt. Man sollte sich davor hüten anzunehmen, dass der Außenregulierer die Akte nicht oder nur schlecht kennt. Dieser ist im Regelfall ebenso gut über den gesamten Akteninhalt informiert (oftmals auch über erstaunlich kleine Details!) wie der eigentliche Schadenssachbearbeiter im Innendienst, mit dem die vorangegangene – mitunter langjährige – Korrespondenz im Schadensfall geführt wurde.

 

Rz. 87

Das Regulierungsgespräch ist das Finale einer nicht selten langjährigen, kontroversen Kommunikation mit dem Versicherer um den finanziellen Umfang eines für den Mandanten einschneidenden Unfallgeschehens. Der optimale Zeitpunkt ist der Abschluss der medizinischen Behandlung, wenn der Mandant lediglich noch erhaltungstherapeutische Maßnahmen in Anspruch nimmt. Dies ist oftmals in einem Zeitfenster von 1 bis 3 Jahren nach dem Unfall der Fall. Abschließende Schadensregulierungen verbieten sich so lange, wie noch geplante Operationen zur Versorgung der Unfallverletzungen anstehen. Es ist nicht auszudenken, welchem Haftungsrisiko sich der Anwalt aussetzt, wenn er den Abschluss der Regulierung zu einem Zeitpunkt herbeiführt, in dem eine Prognose über die weitere Schadensentwicklung noch nicht möglich ist. Als Richtgröße steht neben dem Zeitfenster von 1 bis 3 Jahren nach dem Unfallereignis die Operation der Metallentfernung im Raume. Wenn diese erfolgreich abgeschlossen ist, bestehen keine Bedenken, in die Regulierungsverhandlungen zum Abschluss der Angelegenheit einzusteigen.

 

Rz. 88

Ein abschließendes Regulierungsgespräch bezüglich aller immateriellen und materiellen Schadensersatzansprüche setzt eine umfassende Bezifferung dieser Positionen vom Geschädigtenvertreter voraus. Andernfalls ist ein Regulierungsgespräch sinnlos. Diese Bezifferung kann durchaus – je nach Intensität der Ausgangsverletzungen und Dauerschäden – den Umfang von 20 bis 40 Seiten annehmen und ist dem Versicherer mindestens 2 bis 3 Wochen zuvor zugänglich zu machen.

 

Rz. 89

Bevor ein Regulierungsgespräch terminiert wird, muss die medizinische Indikation hinsichtlich der in die Schadensregulierung eingeführten Hilfs- und Heilmittel im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse vom behandelnden Arzt des Mandanten schriftlich vorliegen. Diese wird ergänzt durch eine schriftliche Stellungnahme der Krankenversicherung zur Frage der Kostenübernahme einzelner oder aller aufgeführten Hilfs- und Heilmittel. Ohne diese zwei Schriftstücke ist in der Regel eine Regulierung der vermehrten Bedürfnisse nicht möglich bzw. der Versicherer weist diese mit dem pauschalen Hinweis auf den Vorrang der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers zurück. Der Geschädigtenvertreter muss an dieser Stelle also vorher seine Hausaufgaben machen.

 

Rz. 90

Die Terminierung des Regulierungsgespräches darf nicht unter Zeitdruck stehen, weil die intensiven Vergleichsverhandlungen mit dem Sachbearbeiter des Versicherers nicht selten einen Aufwand von 5 bis 6 Stunden am Stück (ohne Pause!) erfordern. Weitere Termine an diesem Tage sollte der Anwalt nicht einplanen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass während eines Regulierungsgespräches keine Telefonate durchgestellt werden und das Handy ausgeschaltet ist.

 

Rz. 91

Für das Gespräch sollten deshalb ausreichend Getränke zur Verfügung stehen, wozu auch regelmäßig frischer Kaffee oder Tee gehört. Bereits morgens gekochter Kaffee aus der Bürothermoskanne hilft nach Stunden der intensiven juristischen Auseinandersetzung definitiv nicht mehr durch das unvermeidbare Leistungstief hindurch.

 

Rz. 92

Das Regulierungsgespräch sollte möglichst nicht im Beisein des Mandanten geführt werden. Hierbei geht es nicht darum, etwa ein Misstrauen gegen den eigenen Mandanten zu entwickeln oder aber Geheimverhandlungen zu führen, sondern vielmehr darum, dass der Mandant aufgrund seiner Verletzungsfolgen oftmals physisch und psychisch nicht über die notwendige Kondition für derartig lang andauernde Verhandlungen verfügt. Es besteht dann die Gefahr, dass der Mandant sehr schnell an seine Leistungsgrenzen stößt und "klein beigibt" und sich mit einem schlechten Vergleichsangebot zufrieden gibt, obwohl eigentlich eine...

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