Rz. 14

Der Käufer gibt mit der "verbindlichen Neuwagenbestellung" das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages ab. Obwohl der Käufer die "verbindliche Bestellung" üblicherweise in den Räumlichkeiten und in Anwesenheit eines Mitarbeiters des Verkäufers aufgibt, gilt sie als Angebot unter Abwesenden und bindet den Käufer einseitig, was grundsätzlich gem. § 147 Abs. 2 BGB zulässig ist.[22] Hinsichtlich der Dauer der Bindung sieht § 147 Abs. 2 BGB vor, dass ein Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, bis zu dem hier der Käufer den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Abweichend davon kann gem. § 148 BGB eine Annahmefrist für den Neuwagenkauf bestimmt werden, die der Anwendung des § 147 Abs. 2 BGB vorgeht.

 

Rz. 15

Die NWVB regeln in Abschn. I. Nr. 1 Bindungsfristen, die "höchstens bis drei Wochen, bei Nutzfahrzeugen bis sechs Wochen, sowie bei Fahrzeugen, die beim Verkäufer vorhanden sind, bis zehn Tage, bei Nutzfahrzeugen bis zwei Wochen" betragen.

 

Rz. 16

Unter Nutzfahrzeugen sind alle mehr als zweirädrigen Kraftfahrzeuge mit Ausnahme derjenigen zu verstehen, die nach Bauart und Einrichtung nur zur Beförderung von Personen bestimmt sind und nach dem Verkehrsrecht nicht mehr als neun Sitzplätze haben.[23] Wohnmobile sind keine Nutzfahrzeuge, da ihre Funktion als Fortbewegungsmittel für diese Beurteilung maßgeblich ist und es während der Fahrt nur der nichtgewerblichen Personenbeförderung dient. Daher gilt für Wohnmobile die vierwöchige Bindungsdauer und nicht die von sechs Wochen.[24]

 

Rz. 17

Die Wirksamkeit der Angebotsbindungsklausel wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert.[25] Der BGH erachtete in seinem Urt. v. 13.12.1989 zugunsten der Verkäuferseite eine Antragsbindung von vier Wochen aufgrund der besonderen Sachumstände im Kraftfahrzeughandel mit Neufahrzeugen als angemessen.[26] Dem schloss sich ein Großteil des Schrifttums an.[27] Die Länge der Bindungsdauer sei durch die Vielzahl an organisatorischen Maßnahmen, die bei einer ordnungsgemäßen Bearbeitung einer Neuwagenbestellung anfielen, gerechtfertigt. Da die bestellten Neuwagen im Regelfall nicht beim Verkäufer vorrätig sind, müsse erst beim Hersteller nachgefragt werden, ob das Fahrzeug in der vom Käufer gewünschten Ausstattung geliefert werden könne. Daraufhin erfolge die Bestellung und das Abwarten der Bestätigung des Herstellers. Weitere Zeit nehme die abschließende Klärung der Finanzierung des Kaufpreises, die der Verkäufer regelmäßig "mitzuliefern" habe, in Anspruch sowie die Verwertbarkeit eines in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs und bei Abzahlungsgeschäften zusätzlich noch die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Käufers. Demgegenüber stehe das Käuferinteresse an der Vermeidung einer langen Schwebezeit, während der er günstigere Angebote nur unter der Gefahr einer Doppelverpflichtung annehmen könne, zurück.[28]

 

Rz. 18

Dieser Argumentation wird heute zunehmend nicht mehr gefolgt. Zu Recht wird vor allem in der Literatur, aber bereits auch in der Rechtsprechung[29] vertreten, dass die vier- bzw. sechswöchige Bindungsfrist des Käufers, die aus dem Jahr 1977 stammt, gründlich überholt ist.[30] Dieses Ergebnis resultiert aus einer Interessenabwägung wie sie der BGH 1989 in seinem Urteil zugrunde legte. Die Wirksamkeit der Annahmefristregelung nach den NWVB entfällt und die gesetzliche Regelung des § 147 Abs. 2 BGB gilt stattdessen, wenn der Verkäufer an der Fristdauer kein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Käufers am baldigen Wegfall der Bindung zurücksteht. Die Gewichtung beurteilt sich erneut nach den typischen Erfordernissen des Geschäfts, die sich nunmehr zugunsten des Käufers verschoben haben.

 

Rz. 19

Dem Verkäufer ist zuzugestehen, dass nur in fünf Prozent aller Fälle das vom Neuwagenkäufer gewünschte Fahrzeug vorrätig ist. Es muss erst vom Hersteller bezogen und zuvor noch produziert werden. Daher ist die Frage der Lieferbarkeit vor Annahme des Käuferangebots mit dem Herstellerwerk zu klären.

 

Rz. 20

Jedoch entfallen lange Postlaufzeiten zwischen Händler und Hersteller, da E-Mail, Telefon, Telefax und Internet regelmäßig zur Verfügung stehen. Die interne Entscheidung beim Händler beansprucht allenfalls wenige Tage, deren Übermittlung per Post an den Käufer dauert wiederum höchstens drei bis vier Tage. Selbst wenn im Einzelfall eine längere Bearbeitungszeit anfallen sollte, kann dies nicht Maßstab für die Angemessenheit einer längeren Frist sein. Aussagekräftig für eine Mehrzahl der Fälle ist vielmehr ein Durchschnittswert.

 

Rz. 21

Auch bei dem sog. verbundenen Geschäft aus Darlehen und Kauf, das den Ratenkauf weitgehend verdrängt hat, prüft der Darlehensgeber die Bonität und nicht der Händler. Die Verwertbarkeitsprüfung des Altwagens ist dank moderner Medien, wie dem Abruf von Kaufangeboten via Internet, ebenfalls zügig an einem Tag zu bewerkstelligen. Sie findet zudem im Interesse des Käufers durch die Bank vor Unterzeichnung der "verbindlichen Bestellung" statt. In...

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