Rz. 452

Es sind die sich verändernden Beendigungs- und Veränderungsgründe in der Person des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen.[330] Dabei sind die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten, und damit die hypothetische Entwicklung seiner Unterhaltsverpflichtung, in die Prognose einzubeziehen.[331] Es ist zu ermitteln, wie sich bei hypothetischem Weiterleben der Unterhaltsanspruch des Berechtigten wahrscheinlich entwickelt haben würde. Es sind ähnliche Überlegungen anzustellen wie beim Erwerbsschaden (vgl. § 252 BGB), da ja der hypothetische Erwerb teilweise dem Unterhalt dann zugeführt worden wäre.[332]

 

Rz. 453

Neben dem – aus der dem real eingetretenen Tod nächstgelegenen (Rdn 215) Sterbetafel zu entnehmenden – fiktiven Versterbenszeitpunkt wird die zu betrachtende Unterhaltsverpflichtung des Getöteten zusätzlich individuell beeinflusst (Schätzung nach § 252 BGB, § 287 ZPO)[333] durch

die von der statistischen Wahrscheinlichkeit konkret abweichende Lebenserwartung im Todeszeitpunkt (z.B. gesundheitsgefährdender Arbeitsplatz, schwere unfallfremde Erkrankung) und
absehbare Veränderungen im gesundheitlichen Status (Anhaltspunkte für die Einschätzung der künftigen Leistungsfähigkeit, aber auch für eine abweichende Beurteilung der hypothetischen Lebenserwartung, können sich z.B. aus im Strafverfahren eingeholtem Obduktionsgutachten ergeben);
alters- oder gesundheitsbedingte Herabsetzung der körperlichen Leistungsfähigkeit[334] (z.B. Wegfall von Überstunden, Wegfall oder Unwirtschaftlichkeit von Nebentätigkeiten);
positive (insbesondere berufliche) Weiterentwicklungen (z.B. Beförderung, Altersstufen, beruflicher Aufstieg; tarifliche Gehaltssteigerungen aber nur soweit, wie nicht durch den Kapitalisierungsfaktor bereits ausreichend kompensiert);
Verdiensteinbußen (z.B. durch Wegfall des Arbeitsplatzes, Wegfall von Nebentätigkeiten, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf; Verringerungen/Wegfall des Einkommens wegen überholender Kausalität);
Reduzierung des Nettoeinkommens nach hypothetischer Verrentung des Getöteten,
Mitarbeitspflicht im Haushalt nach Pensionierung.
 

Rz. 454

Gründe überholender Kausalität können einen reduzierten Kapitalisierungsfaktor bedingen. Diese anderweitigen Umstände sind allerdings vom Schädiger vorzutragen und zu beweisen (siehe § 2 Rdn 373 ff.).

[330] Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn 163 ff.
[331] BGH v. 5.6.2012 – VI ZR 122/11 – DAR 2013, 21 = FamRZ 2012, 1300 = MDR 2012, 1159 = NJW 2012, 2887 = NJW-Spezial 2012, 489 = NZV 2012, 530 = r+s 2012, 514 = SP 2012, 321 = VersR 2012, 1048 (Anm. Höher) = VerkMitt 2012, Nr. 70 = VRS 123, 277 = zfs 2012, 686; BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05 – (Berichtigungsbeschluss v. 20.6.2006 – VI ZR 114/05) BGHReport 2006, 1171 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = FamRB 2006, 305 (nur Ls.) (Anm. Erk) = FamRZ 2006, 1108 (Anm. Luthin) = MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = NJW-Spezial 2006, 402 = NZV 2006, 467 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = SP 2006, 310 = VersR 2006, 1081 = VRS 111, 327 = zfs 2006, 677; BGH v. 11.7.1972 – VI ZR 21/71 – MDR 1973, 129 = VersR 1972, 945.
[332] OLG Frankfurt v. 26.7.2005 – 17 U 18/05 – SP 2005, 338. Siehe ergänzend Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 669 ff.
[333] BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05 – (Berichtigungsbeschluss v. 20.6.2006 – VI ZR 114/05) BGHReport 2006, 1171 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = FamRB 2006, 305 (nur Ls.) (Anm. Erk) = FamRZ 2006, 1108 (Anm. Luthin) = MDR 2006, 1409 = NJW 2006, 2327 = NJW-Spezial 2006, 402 = NZV 2006, 467 = r+s 2006, 519 (Anm. Bliesener) = SP 2006, 310 = VersR 2006, 1081 = VRS 111, 327 = zfs 2006, 677.
[334] BGH v. 7.5.1974 – VI ZR 10/73 – NJW 1974, 1651 = VersR 1974, 1016; BGH v. 25.4.1972 – VI ZR 134/71 – MDR 1972, 769 = VersR 1972, 834.

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