Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 295
Keiner näheren Begründung bedarf es, dass im Rahmen der Forderungsbeitreibung die Verjährung des beizutreibenden Anspruchs mit Haupt- und Nebenforderung überwacht werden muss. Dies gilt vor dem Hintergrund von § 197 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht anders für bereits titulierte Ansprüche sowie im Hinblick auf zu pfändende Ansprüche des Schuldners gegen Dritte. Es handelt sich um eine Kardinalpflicht von Rechtsanwälten und registrierten Inkassounternehmen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht abbedungen werden kann.
Rz. 296
Hinweis
Für den Hauptanspruch und die Vollstreckungskosten ist dies regelmäßig unproblematisch, da diese nach § 197 Abs. 1 Nr. 4–6 BGB erst nach 30 Jahren verjähren. Anders sieht es aber schon für die Zinsen auf die Hauptforderung und die Vollstreckungskosten aus. Diese verjähren als zukünftige wiederkehrende Leistungen nach § 197 Abs. 2 BGB in der Regelverjährungsfrist, d.h. nach drei Jahren. Hier müssen entsprechend frühzeitig Maßnahmen getroffen werden, um dies zu verhindern. Nichts anderes gilt für die noch untitulierte Forderung, die der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt.
Rz. 297
Rechtskräftig festgestellte Ansprüche verjähren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach 30 Jahren, sodass die Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB hier keine Anwendung findet. Dies gilt nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB ebenso für Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen und Urkunden sowie nach § 197 Abs. 1 Nr. 5 BGB für die Feststellung von Ansprüchen zur Insolvenztabelle. Zum 1.1.2005, d.h. rechtzeitig vor dem Ablauf der zum 1.1.2002 eingeführten kurzen Regelverjährung, wurde § 197 Abs. 1 BGB um eine Nr. 6 ergänzt, nach der auch der Erstattungsanspruch hinsichtlich der Vollstreckungskosten nach § 788 ZPO erst in 30 Jahren verjährt.
Von dieser Regelung sind aber nur die titulierte Hauptforderung bzw. die Kosten, nicht aber die zukünftigen Zinsforderungen auf die Hauptforderung und die Kosten umfasst. Denn bei den Zinsen handelt es sich um erst in der Zukunft regelmäßig wiederkehrende Leistungen i.S.v. § 197 Abs. 2 BGB, sodass an die Stelle der 30-jährigen Verjährungsfrist die regelmäßige Frist von drei Jahren nach § 195 BGB tritt.
Rz. 298
Achtung
Regelmäßig wiederkehrende Leistungen sind auch Ansprüche auf laufenden Unterhalt. Auch hier verjährt der Anspruch auf laufenden Unterhalt nach § 197 Abs. 2 BGB binnen drei Jahren.
Danach gilt, dass
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die bis zur Rechtskraft des Urteils bereits angefallenen Zinsen gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3–6 ZPO nach 30 Jahren verjähren |
und
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die nach der Rechtskraft, also zum Zeitpunkt des Rechtskrafteintritts erst in der Zukunft anfallenden Zinsen hingegen nach § 197 Abs. 2 BGB, d.h. gemäß § 195 BGB binnen drei Jahren verjähren. |
Rz. 299
Die kurze Verjährungsfrist gilt nur für künftig entstehende Zinsen. Bereits fällige titulierte Zinsansprüche verjähren in 30 Jahren.
Rz. 300
Beispiel
Schuldner S wird in einem seit dem 25.5.2024 rechtskräftigen Urteil zur Zahlung von 12.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.1.2024 verurteilt. Die vom 21.1.2024 bis zum 25.5.2024 aufgelaufenen Zinsen verjähren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Alt. 3 BGB in 30 Jahren, da es sich insoweit nicht um künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen handelt, sondern um zum Zeitpunkt des Verjährungsbeginns bereits fällige Leistungen. Die Zinsen ab dem 26.5.2024 verjähren dagegen als zum Zeitpunkt der Titulierung erst zukünftig fällig werdende Forderungen nach § 197 Abs. 2 BGB in drei Jahren.
Rz. 301
Hinweis
Werden die – auch zukünftigen – Zinsen in einer Summe berechnet und als Hauptforderung – ggf. mit einer bestimmten Fälligkeit – tituliert, gilt für sie ebenfalls die 30-jährige Verjährungsfrist. Dies kommt aber nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Zahlung z.B. durch Verrechnung einer gegen den Gläubiger zukünftig bestehenden Forderung erfüllt wird und deren Fälligkeit feststeht, sodass nach Ablauf dieser Frist keine weiteren Zinsen entstehen können. Darauf ist bereits im Erkenntnisverfahren zu reagieren.
Rz. 302
Eine Ausnahme gilt auch für Zinsen aus Verbraucher-Darlehensverträgen nach § 497 Abs. 3 S. 4 BGB, auf die § 197 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. Diese Zinsen verjähren ebenfalls erst nach 30 Jahren, soweit sie rechtskräftig festgestellt sind. Um Schwierigkeiten in der Zwangsvollstreckung zu vermeiden, muss allerdings aus dem Titel selbst hervorgehen, dass es sich um einen Anspruch aus einem Verbraucherkreditvertrag handelt. Dies kann im Klageantrag bzw. Tenor oder im Vergleichstext geschehen. Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aus der genannten Regelung des § 497 Abs. 3 S. 4 BGB.
Die Verjährungsfrist sowohl für den Hauptanspruch wie für die Zinsen beginnt nach §§ 201, 199 BGB für die gerichtlichen Titel mit dem Ende des Jahres in dem die formelle Rechtskraft, also für ein Urteil mit Ablauf der Berufungs- oder Revisionsfrist, eintritt.
Rz. 303
Beispiel
Ein erstinstanzliches Urteil, welches einen...