Rz. 1

Im Bereich des Straßenverkehrs werden mehr als 90 % der Personenschäden außergerichtlich reguliert. Nicht ganz so hoch ist die Quote bei der Regulierung von Privathaftpflicht- sowie Tierhalterhaftpflichtschäden. Im Bereich des Arzthaftpflichtrechts ist das Verhältnis eher umgekehrt: Die wenigsten Fälle werden außergerichtlich reguliert, hingegen muss der Geschädigte seine Ansprüche oftmals auf dem Klagewege durchsetzen. Hier besteht Verbesserungspotential, was darin liegen könnte, den streitigen Haftungsgrund entscheiden zu lassen, um dann die Haftungshöhe außergerichtlich regulieren zu können.

 

Rz. 2

Der Schwerpunkt dieses Buches liegt in der Darstellung der außergerichtlichen Regulierung. Anhand von Beispielen und Musterschreiben werden die möglichen Ansprüche eines Geschädigten umfänglich und dennoch praxisnah dargestellt.

 

Rz. 3

Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Bearbeitung von Personenschäden vertreten die Verfasser die Ansicht, dass die außergerichtliche Regulierung in fast allen Fällen einem gerichtlichen Verfahren vorzuziehen ist. Geschädigte gehen in der Regel – irrig – davon aus, dass ihnen vor Gericht alle geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zugesprochen werden, insbesondere wenn sie schuldlos in den schadensauslösenden Sachverhalt hineingeraten sind. Hierbei unterschätzen sie jedoch oftmals die mehrjährige Laufzeit eines solchen Klageverfahrens, den Zermürbungseffekt durch die Einholung unzähliger Sachverständigengutachten und letztlich überschätzen sie die Kompetenz eines Einzelrichters oder einer Kammer, die gerade nicht auf Deliktsrecht spezialisiert ist ("Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."). Geschädigte verstehen nicht, dass sie ein Klageverfahren möglicherweise auch deshalb verlieren, weil sie an der Darlegungs- und Beweislast scheitern oder weil während eines langjährigen Gerichtsverfahrens überholende Kausalitäten die zunächst gute Beweislage in ein völlig anderes Licht stellen.

 

Rz. 4

Vieles spricht für die außergerichtliche Regulierung: Der Anwalt und sein Mandant bestimmen das Regulierungstempo. Der Versicherer reguliert den Personenschaden in der Regel zeitnäher, als dass ein Gericht eine abschließende Entscheidung trifft. Weiterhin ist der Geschädigte nicht an einen vom Gericht bestimmten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gebunden, sondern kann im Einvernehmen mit dem Gegner zum Beispiel den Arzt/die Klinik für ein Abschlussgutachten auswählen. Ferner ist der Geschädigte nicht mit den Kosten für derartige medizinische Feststellungen belastet, weil diese vom Versicherer in Auftrag gegeben und auch von diesem bezahlt werden. Im Klageverfahren hingegen ist der Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet und muss entsprechende Kostenvorschüsse für die Einholung von Sachverständigengutachten für die anspruchsbegründenden Tatsachen aufbringen. Im Ergebnis spricht also mehr dafür, in die außergerichtliche Regulierung einzusteigen, als Personenschadenssachverhalte rechtshängig zu machen.

 

Rz. 5

Um den außergerichtlichen Regulierungsrahmen vollständig auszuschöpfen, gibt es noch einen dritten Weg – den, der durch ein außergerichtliches Mediationsverfahren führt. Die Autoren verstehen die Mediation im Personen(groß)schaden als eine Veranstaltung, bei der sowohl die Geschädigtenseite als auch die Schädigerseite anwaltlich vertreten ist und der Mediator die Parteien durch das Verfahren begleitet, ohne jedoch eigene Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Mediation wird hier als ein strukturiertes und wiederum den Sachverhalt strukturierendes Verfahren verstanden. Anders als im Klageverfahren erarbeiten die Parteien gemeinsam miteinander eine Lösung, die deshalb auch eine besondere Tragfähigkeit in sich birgt und zu einer endgültigen Befriedung auf beiden Seiten führt. Dieser dritte Weg der Konfliktlösung ist ein Weg, der in Vielem einem gerichtlichen Klageverfahren deutlich überlegen ist.

 

Rz. 6

Gleichwohl muss davor gewarnt werden, die Regulierung eines Personen(groß)schadens auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Regulierung des Personenschadens ist nicht nur eine rechtlich schwierige Materie, sondern erfordert vom Rechtsanwalt mit zunehmender Schadensintensität beim Mandanten ein erhebliches Einfühlungsvermögen in dessen Situation. Solche Sachverhalte stellen oftmals menschliche Tragödien dar. Der Verlust körperlicher Unversehrtheit, die Erkenntnis, auf dem Arbeitsmarkt nicht wieder Fuß fassen zu können, die Abkehr vieler Freunde (""Wer will schon mit dem depressiven Geschädigten an Krücken in die Disco gehen?"") und oftmals die unfallbedingte Trennung vom langjährigen Partner kennzeichnen die menschliche Seite des Lebenssachverhalts, den der Anwalt zur Regulierung angetragen bekommt. Es ist nicht nur das Leben des Einzelnen betroffen, sondern es sind ganze Familien, die mit ihrem Familienschicksal durch das Schicksal des Einzelnen tiefgreifend berührt und in ihren Grundfesten erschüttert sind. Schwerstgeschädigte legen ihre gesamte Existe...

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