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Gefühlt nimmt der Kampf um die Kundenschnittstelle Google und damit der Akquise- und Lenkungskampf[74]  um Aufträge im Rechtsdienstleistungsmarkt erheblich an Fahrt auf. Durch den intensiven Einsatz von Suchmaschinenoptimierungsstrategien (SEO) hat er eine neue, nie dagewesene, Dimension erreicht. Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird sich, so wie er bisher Bestand hatte, nachhaltig verändern. Neue Akteure dienen sich mittels ausgefeilter Strategien dem rechtssuchenden Publikum an und erobern den Markt. Akteure wie der Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e.V. oder der Verband der Rechtsjournalisten e.V. machen hierbei im besonderen Maße auf sich aufmerksam und besetzen die obersten Plätze auf den Google-Suchergebnislisten.[75] "Der Kampf um die vorderen Plätze bei der Google-Suche wird mit besonderem Sachverstand und mit Hilfe von Suchmaschinenoptimierungsstrategien ausgetragen. Bislang fand er unter den Augen vieler Marktteilnehmer weitestgehend unbemerkt statt. Die an den Tag gelegte Vorgehensweise ist in der Regel nur für den Vorgebildeten und Interessierten erkennbar und selbst dann noch schwere Kost."[76] Einige Legal Tech Unternehmen haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt als Rechtsberatungs-Plattform zu etablieren, Leads zu generieren und zu vermitteln. Nicht alle Wettbewerber können sich augenscheinlich auch auf Dauer auf dem Markt behaupten: "Insolvenzverfahren – Anwaltssuchmaschine FragRobin plant Neustart – Das Berliner Legaltech-Startup FragRobin ist in die vorläufige Insolvenz gegangen – und will bald wieder heraus sein. Wieso auf einmal das Geld knapp wurde.", berichtet das Portal www.gruenderszene.de am 7.5.2018.[77] Mitunter stehen Mitbewerber bereit und helfen aus: "Die anwalt.de services AG übernimmt mit Wirkung vom 1. Juni 2018 den Legal-Tech-Anbieter FragRobin mit Sitz in Berlin. […] Der Kauf von FragRobin ist nach der Übernahme von Jurato im Mai bereits die zweite Akquisition innerhalb von zwei Monaten und unterstreicht die Wachstumsambitionen von anwalt.de", heißt es in einer Pressemitteilung der anwalt.de services AG am 1.6.2018.[78]

Andere Neugründungen schicken sich an, auf dem Gebiet der Anwaltssuchportale Nischen zu besetzen und Anwaltsnetzwerke zu etablieren. "Gemeinsam. Erfolgreich" lautet das Motto des Berliner Startups www.anwaltssuche.online. Denn immer wieder werden Anwälte von den Rechtssuchenden gefragt, ob sie nicht vielleicht einen versierten Kollegen oder eine versierte Kollegin kennen, den oder die sie, auf dem jeweiligen Rechtsgebiet, empfehlen könnten. Denn eine gute und niedrigschwellige Empfehlung aus einem Anwaltsnetzwerk kann ein werthaltiges Serviceangebot darstellen.

 

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Getreu dem Motto "The Winner Takes It All" dürften die zu erwartenden Strömungsveränderungen bei dem Verteilungskampf um Mandate nicht ohne Folgen bleiben und möglicherweise zu erheblichen Einkommenseinbußen bei großen Teilen der Anwaltschaft führen. Die Buchveröffentlichung von Gerald Hörhan "Der stille Raub: Wie das Internet die Mittelschicht zerstört und was Gewinner der digitalen Revolution anders machen" führt anschaulich vor Augen, wie derartige Prozesse zu einer Verarmung des Mittelstandes führen könnten, wenn es den Betroffenen nicht gelingt eine digitale Kompetenz aufzubauen. Diese nachhaltigen Veränderungen werden von der Anwaltschaft kaum zur Kenntnis genommen. Ein Bewusstsein für die sich anbahnende Gefahr existiert entweder gar nicht oder ist nicht sonderlich ausgeprägt.[79] Andere ignorieren die Gefahr und führen das Ausbleiben von Anrufen und Mandaten auf saisonale Schwankungen zurück.[80] Dass sich der eine oder andere selbst belügt, wir mit dem Hinweis auf den nahenden Ruhestand gerne wegdiskutiert. Einige, nicht wenige, die die exponentiell wachsenden Gefahren für die Anwaltschaft erkannt haben, schweigen bereits merkwürdig lange und nehmen die Folgen für die Anwaltschaft damit billigend in Kauf. Das Phänomen ist nicht neu. Das Buch von John Kotter und Holger Rathgeber mit dem Titel "Das Pinguin-Prinzip"[81] beschreibt anschaulich, wie auf einem Eisberg in der Antarktis eine Pinguinkolonie lebt. Da entdeckt eines Tages ein aufgeweckter Pinguin eine große Gefahr. Der Eisberg schmilzt. Niemand will die schlimme Botschaft hören. Das Forschungsprojekt "Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 der Prognos AG im Auftrag des Deutschen AnwaltVereins hat sich mit derartigen Fragestellungen befasst. "Im Rahmen der Studie wurden ausführliche Fachgespräche und Workshops durchgeführt. Zudem wurden über 5.000 Kanzleiinhaber und -inhaberinnen beziehungsweise Partner und Partnerinnen zu ihrem Kanzleimanagement befragt sowie bestehende Untersuchungsergebnisse und Literatur einbezogen."[82] Ziel der Untersuchung war es zu erfahren, welche Auswirkungen wirtschaftliche, demografische, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen auf den Rechtsdienstleistungsmarkt in den nächsten 20 Jahren haben. "Wie sind die Anwaltskanzleien heute aufgestellt und können sie au...

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