Rz. 44

Wie groß das Sparinteresse bei den Versicherern sein kann, zeigt sich – unabhängig von den Regulierungsabkommen – auch beispielhaft in einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Rechtsschutzversicherungen (ARB). Darin wird der Kunde verpflichtet, "alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte". Um zu erkennen, welches Verhalten nach dieser Klausel immerhin mit dem Verlust des Versicherungsschutzes sanktioniert wird, braucht der Versicherte allerdings einiges Talent im Rätselraten.

 

Rz. 45

Genau diese mangelnde Klarheit kritisierte der BGH[49] bereits 2009 als intransparent und unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Bevor es jedoch zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Klausel kam, erkannte die Versicherung den Anspruch ihres Kunden an und vermied so eine gerichtliche Entscheidung. Zuvor hatte sie sich geweigert, in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit einen außergerichtlichen Klärungsversuch zu vergüten, weil der Anwalt aus ihrer Sicht gleich hätte klagen müssen, um Kosten zu vermeiden.

 

Rz. 46

Die ehemalige Vorsitzende des IV. Zivilsenats beim BGH und jetzige Richterin am BVerfG Sibylle Kessal-Wulf spricht in einem Beitrag für die Zeitschrift "Recht und Schaden" von einem gezielten und systematischen Vorgehen, wenn Versicherer die Notbremse ziehen und den Anspruch anerkennen. "Die Versicherer versuchen systematisch, Grundsatzurteile zu verhindern", sagt Kerstin Becker-Eiselen, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Dies wird von der Versicherungswirtschaft bestritten.[50]

 

Rz. 47

Nun wollen Verbraucherschützer Klarheit in die Sache bringen. Die Verbraucherzentrale Hamburg[51] forderte im Sommer 2010 neunzehn Versicherungen auf, eine Unterlassungserklärung in Hinblick auf die Klausel abzugeben. Zwei der Unternehmen haben sich unterworfen. Als 17 der Unternehmen dazu nicht bereit war, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht – mit Erfolg. Im April 2011 ergingen die ersten Urteile, fast alle Gerichte teilten die Auffassung der Verbraucherschützer. Die Urteile dürften bereits jetzt Signalwirkung haben und viele Versicherungen zum Einlenken bewegen.

"In erster Instanz haben wir bislang 17 Urteile zugunsten der Versicherungsnehmer erstritten, in zweiter Instanz bestätigten bisher alle Oberlandesgerichte unsere Auffassung.", heißt es auf der Internetseite der Verbraucherzentrale Hamburg.[52]

Auch für Anwälte werden die Urteile mehr Sicherheit bringen, da sie nicht mehr befürchten müssen, bestimmte Tätigkeiten von den Versicherungen nicht erstattet zu bekommen.

[49] Wendt, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsschutzversicherung, r+s 5/2012, 209 ff.
[50] Samimi/Liedtke, Rechtsschutzversicherungen: Im Visier der Verbraucherschützer, zfs 6/2011, 302 ff.
[51] Vertreten durch den Kollegen Joachim Bluhm aus Hamburg.
[52] www.vzhh.de.

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