Rz. 20

Was Zustandekommen und Beendigung des Anwaltsvertrags und die Abgrenzung zu bloßen Gefälligkeiten angeht, so kann auf die allgemeinen Grundsätze verwiesen werden. Die Besonderheit ist aber, dass sich jenseits dieser zeitlichen Grenzen Gegenstand und Inhalt des Anwaltsvertrages kaum richtig bestimmen lassen und den Anwalt nach Ansicht der Rechtsprechung nicht nur im Stadium der Mandatsanbahnung, sondern auch bei und sogar nach Mandatsbeendigung Pflichten treffen können.

 

Rz. 21

Dieser Rechtsprechung liegt trotz der allgemeinen Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mandatsbeendigung grds. auch eine Suspendierung der anwaltlichen Pflichten bewirkt,[4] ersichtlich die Annahme zugrunde, dass mit einem regelegerechten Verhalten des Anwalts selbst nach Mandatsbeendigung noch vorhersehbare und vermeidbare Gefahren und Nachteile vom Mandanten abgewendet werden können.

 

Rz. 22

Demgemäß können Anwälte zu Hinweisen auf erst zukünftig ablaufende Fristen oder auch noch zu frist- und terminwahrenden Tätigkeiten, insbesondere im Fall der Kündigung zur Unzeit, verpflichtet sein. Aber auch dann, wenn der Anwalt zögerlich bei der Mandatsannahme agiert, können ihn entsprechende Pflichten treffen, weil er sich sonst der Gefahr einer Haftung nach § 44 BRAO aussetzt.

 

Rz. 23

Immer wieder Gegenstand kontrovers ausgefochtener Regressstreitigkeiten sind aber Sachverhalte, die Besonderheiten betreffend Inhalt und Umfang eines Anwaltsvertrags aufweisen. Zum einen soll der Gegenstand eines Vertrags mit Anwälten nach einem Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 16.4.2008[5] auch Einfluss auf die Haftung von sog. Scheinsozien haben.

 

Rz. 24

Der VIII. Zivilsenat des BGH verneint nämlich eine Rechtsscheinhaftung des Mitglieds einer anwaltlichen Scheinsozietät für Forderungen, die nicht die anwaltstypische rechtsberatende oder rechtsvertretende Tätigkeit betreffen. Die Haftung eines Scheinsozius erfordere nach Ansicht des VIII. Zivilsenats des BGH ein Mandatsverhältnis und damit eine anwaltstypische Tätigkeit, die zu verneinen ist, wenn keine rechtsberatenden oder rechtsvertretenden Aktivitäten erfolgen.

 

Rz. 25

Zum anderen werden durch den Inhalt und Umfang des Mandats die spezifischen Pflichten eines Anwalts bestimmt. Die Interdependenzen zwischen dem Mandatsumfang und den von einem Anwalt zu beachtenden Sorgfaltspflichten machen es notwendig, Inhalt und Umfang eines Anwaltsmandats genau zu ermitteln. Schließlich sind Inhalt und Umfang des Mandats – wie bereits ausgeführt – für die Bestimmung des nach § 51 BRAO obligatorischen Versicherungsschutzes bedeutsam.

 

Rz. 26

In ständiger Rechtsprechung hebt der BGH hervor, dass Anwälte aufgrund des Anwaltsvertrags verpflichtet sind, die Interessen ihrer Auftraggeber in den Grenzen der ihnen erteilten Mandate nach jeder Richtung hin umfassend wahrzunehmen. Deshalb haben Rechtsanwälte ihr Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen des Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermieden werden.

 

Rz. 27

Gibt der Mandant nicht zu erkennen, dass er anwaltlichen Rates nur in einer bestimmten Richtung bedürfe, hat vom Anwalt – so der BGH nahezu wortgleich in zahlreichen Entscheidungen – eine allgemeine und möglichst erschöpfende sowie umfassende Belehrung über die sachliche Durchführung des erbetenen Rates, über die Gefahr, die das beabsichtigte Geschäft in sich birgt und über die zur Abwendung von Schaden anzuwendenden Vorsichtsmaßregeln zu erfolgen.

 

Rz. 28

Im Rahmen dessen ist dem Auftraggeber der sicherste und gefahrloseste Weg vorzuschlagen und über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist.[6]

 

Rz. 29

Die Haftungsgrundlagen, insbesondere das Vorliegen eines pflichtenauslösenden Anwaltsvertrags und ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts, haben die Mandanten darzulegen und zu beweisen.[7] Dies gilt im Grundsatz auch für das Vorliegen sogenannter negativer Tatsachen.

 

Rz. 30

Um Anwaltsregresse nicht an unüberwindbar hohen Beweisanforderungen scheitern zu lassen, arbeiten Gerichte mit einer abgestuften Beweislast. Wird eine anwaltliche Pflichtverletzung schlüssig dargestellt, darf der Rechtsanwalt sich nicht darauf beschränken, die Pflichtverletzung zu bestreiten bzw. pauschal eine ausreichende Beratung und Belehrung zu behaupten.

 

Rz. 31

Es geht daher zulasten des Anwalts, wenn er Besprechungen mit dem Mandanten, die von ihm erteilten Belehrungen und Ratschläge sowie die mandantenseitigen Reaktionen darauf nicht präzisieren kann.

 

Rz. 32

Eine ähnlich abgestufte Darlegungs- und Beweislast wenden Gerichte auch bei der Frage nach Inhalt und Umfang des Anwaltsvertrags an, obwohl der BGH sich gegen die Einschätzung ausgesprochen hat, das sachlich begrenzte Mandat sei die Ausnahme, da man nicht den Erfahrungssatz aufstellen könne, dass der Mandant regelmäßig ein umfassendes, nach Grund und Höhe unbeschränktes Mandat erteilen würde.[8]

 

Rz. 33

Auch wenn somit die Richtigkeit der Aussage...

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