Rz. 9

Der Bauvertragsreform liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde,[11] dass die ­Baubranche einer der größten und wichtigsten Wirtschaftszweige der Bundesrepublik Deutschland ist: Die Bautechnik habe sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. Auch das Baurecht sei – teilweise parallel dazu – zu einer komplexen Spezialmaterie geworden, zu der eine umfangreiche Rechtsprechung ergangen ist. Diese sei für den Rechtsanwender kaum noch zu überblicken. Das geltende Werkvertragsrecht sei mit Blick auf die unterschiedlichen möglichen Vertragsgegenstände sehr allgemein gehalten. Für die komplexen, auf eine längere Erfüllungszeit angelegten Bauverträge seien die Regelungen des Werkvertragsrechts häufig nicht detailliert genug. Wesentliche Fragen des Bauvertragsrechts seien nicht gesetzlich geregelt, sondern der Vereinbarung der Parteien und der Rechtsprechung überlassen. Das Fehlen klarer gesetzlicher Vorgaben erschwere eine interessengerechte und ökonomisch sinnvolle Gestaltung und Abwicklung von Bauverträgen. Für Verbraucher berge die Durchführung eines Bauvorhabens darüber hinaus weitere Risiken: Ein Verbraucher wende für die Errichtung oder den Umbau eines Hauses häufig einen wesentlichen Teil seiner wirtschaftlichen Ressourcen auf. Unerwartete Mehrkosten durch eine nicht rechtzeitige Fertigstellung des Baus oder die Insolvenz des beauftragten Bauunternehmers könnten daher gravierende Auswirkungen haben. Gleichwohl enthalte das geltende Werkvertragsrecht, abgesehen von einigen Einzelvorschriften, keine besonderen Verbraucherschutzvorschriften, wie es sie in anderen für den Verbraucher wichtigen Rechtsbereichen gibt.[12]

 

Rz. 10

Der Gesetzgeber hat hierfür folgende Lösung präsentiert:[13] Es werden spezielle Regelungen für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag sowie den Architektenvertrag und den Ingenieurvertrag in das Werkvertragsrecht des BGB eingefügt. Dem auf längere Erfüllungszeit angelegten Bauvertrag soll insbesondere wie folgt Rechnung getragen werden: Einführung eines Anordnungsrechts des Bestellers einschließlich Regelungen zur Preisanpassung bei Mehr- oder Minderleistungen, Änderungen und Ergänzungen der Regelungen zur Abnahme sowie die Normierung einer Kündigung aus wichtigem Grund. Speziell für Bauverträge von Verbrauchern werden darüber hinaus Regelungen zur Einführung einer Baubeschreibungspflicht des Unternehmers, zur Pflicht der Parteien, eine verbindliche Vereinbarung über die Bauzeit zu treffen, zum Recht des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags und zur Einführung einer Obergrenze für Abschlagszahlungen vorgeschlagen. Mit Blick auf ihre Besonderheiten werden zudem einige Sonderregelungen für Architekten- und Ingenieurverträge vorgeschlagen.[14]

 

Rz. 11

 

Exkurs:

Im Zuge der Reform des Bauvertragsrechts wurde auch das Recht der Sachmängelhaftung im Kaufrecht an die Rechtsprechung des EuGH[15] angepasst:[16] Dieser hatte entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen einer Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Für einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern (b2b-Geschäft) galt dies nach der Rechtsprechung des BGH[17] jedoch nicht. Dies bedeutete für einen Werkunternehmer, der mangelhaftes Baumaterial gekauft und dieses in Unkenntnis des Mangels bei einem Dritten verbaut hatte, dass er diesem aus dem geschlossenen Werkvertrag zum Ausbau des mangelhaften und zum Einbau von mangelfreiem Baumaterial verpflichtet war.[18] Von dem Verkäufer konnte er dagegen nach früherem Recht nur die Lieferung des dafür benötigten neuen Baumaterials verlangen. Die Aus- und Einbaukosten musste er – von Fällen eines schuldhaften Verhaltens des Verkäufers abgesehen – selbst tragen.[19]

Zur Verbesserung der Rechtssituation von Werkunternehmern, die mangelhaftes Baumaterial gekauft und im Rahmen eines Werkvertrags verbaut haben, sollen die Regeln auch für Verträge zwischen Unternehmern, mithin im b2b-Bereich gelten.[20] Die neue kaufrechtliche Mängelhaftung infolge der Reform des Bauvertragsrechts gewährt dem Käufer mit § 439 Abs. 3 BGB in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben nach der VerbrGKRL jetzt einen gesetzlichen Anspruch gegen den Verkäufer auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen einer mangelhaften (Ausbau) und den Einbau oder das Anbringen einer nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache – allerdings nur im Sinne einer reinen Aufwendungsersatzlösung (nach­stehend § 6 Rdn 6 ff.).

[11] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 1.
[12] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 1.
[13] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 2.
[14] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 2.
[16] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 1.
[17] BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII ZR 226/11 = BGHZ 195, 135 = NJW 2013, 220; BGH, Urt. v. 26.4.2013 – VIII ZR 375/11 = IBR 2013, 593 – Verle...

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