Rz. 5

Das Reformvorhaben und seine tatsächliche Umsetzung waren das "Aufregerthema" der vergangenen Jahre aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS – jetzt BMVBI).[5] Die Auswirkungenauf die betroffenen Punkteinhaber sind weitreichend, dabei war der Ausgang des Reformvorhabens nicht immer eindeutig vorgegeben. Der Referentenentwurf lag Anfang November 2012 vor, der Bundesrat hatte seine Stellungnahme ebenfalls abgegeben, der Bundestag seine erste Lesung – diskutiert wurde allenthalben.[6] Das Gesetz erfuhr im Gesetzgebungsverfahren vielfache und erhebliche Änderungen: So wurde das Vorhaben zunächst nur mit zwei Punkten vorgestellt, dann kamen drei Punkte; Punkteabbaukurse waren erst gar nicht vorgesehen, dann war von zwei Punkten Abzug die Rede, nunmehr ist es ein Punkt. Eine obligatorische Anordnung eines Fahreignungsseminars ist nun doch nicht mehr vorgesehen. Die Wirksamkeit der neuen Seminare, die erheblich qualifizierte Fahreignungsmängel beheben wollen, soll innerhalb der kommenden 5 Jahre auch erst einmal evaluiert werden. Der Streit um Tattagprinzip oder Rechtskraftprinzip ist in einer Kombination (zulasten der im Fahreignungsregister eingetragenen Personen) mit der Verabschiedung des Vorhabens beendet,[7] die Berechnung alter Punkte wird – anders als zuletzt bekannt – vorgenommen und schließlich wird auch die Punktefächerung nochmals anders ausgeführt als noch im Mai 2013 angenommen.

Besonders erstaunlich sind die letzten Änderungen, die der Gesetzgeber nach Verabschiedung, aber vor Inkrafttreten noch aus dem Ärmel geschüttelt hat:[8] Hier ist mit der 10. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung (BGBl I S. 348) noch eine rasche Heraufsetzung erfolgt, die bei Rotlichtverstößen die Radfahrer (lfd. Nr. 132a BKat) vorsehen, um die Eintragungsgrenze entgegen der ursprünglichen Begründung nun doch zu erreichen. Bereits der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Bundeszentralregistergesetzes (Stand: 25.7.2014), den der DAV-Verkehrsrechtsausschuss in einer Stellungnahme abgelehnt hat, deutete die Folgeprobleme an.[9]

Der Entwurf befasste sich mit dem Problem, dass der Verkehrsteilnehmer nach dem Erreichen der 5-Punkte-Schwelle weitere Verkehrsverstöße begeht, die zwischen der Begehung des Vergehens, das eine Maßnahme auslöst, und der Bekanntmachung der Maßnahme liegen.

Die Neuregelung aus November 2014 – als Klarstellung (?!) gemeint – wahrt jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit m.E. nicht mehr, wenn einem Verkehrsteilnehmer ohne jede vorherige Warnung die Fahrerlaubnis alleine wegen der Ansammlung von Punkten entzogen wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ja gerade die Stufenregelung beinhalten sollte, dass der Verkehrsteilnehmer sich eines Besseren besinnt, weil er die entsprechenden Warnungen erhalten hat. Davon hat der Gesetzgeber offenbar ziemlich unbemerkt Abstand genommen. Erst in der Rechtsanwendung, die jedoch Behörden und auch anderen Rechtsanwendern offenkundig schwer fällt, ist das Ausmaß langsam offensichtlich geworden.

Mit der Neuregelung geht der Gesetzgeber wohl davon aus, dass es im Einzelfall überhaupt keiner Ermahnung oder Verwarnung vor dem Entzug der Fahrerlaubnis bedarf. Gleichzeitig wurde im Zusammenhang mit der vorangegangen Reform des Punktsystems die Zahl der zum Fahrerlaubnisentzug notwendigen Verstöße verringert und der Zeitraum, in dem diese zur Anrechnung gelangen, verlängert.

Nachfolgendes Beispiel[10] soll zeigen, dass mit der jetzigen Regelung ein Entzug der Fahrerlaubnis ohne vorheriges Durchlaufen der jeweiligen Stufen möglich ist:

 

Beispiel

Ein Autofahrer, der mit drei Punkten aus früheren Jahren vorgeahndet ist, fährt am Sonntagvormittag auf einer innerstädtischen Schnellstraße, die auf 50 km/h beschränkt ist, 31 km/h zu schnell. Bis der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird, begeht er im Kolonnenverkehr auf der Autobahn einen Abstandsverstoß mit weniger als 3/10 des halben Tachowerts bei 102 km/h. Bevor Ermahnung oder Verwarnung ergriffen werden können, benutzt er ein Mobiltelefon während des Fahrens. Gegen den letzten Bußgeldbescheid wehrt er sich und wird vom Gericht verurteilt. Jetzt erhält er die Ermahnung (ausgelöst vom Geschwindigkeitsverstoß), kurze Zeit später (nach dem Eingang der Mitteilung) die Verwarnung (ausgelöst von der Abstandsunterschreitung) und schließlich den Entzug der Fahrerlaubnis, nachdem nunmehr die Mitteilung vom Gericht eingeht.

Des Weiteren ist es geradezu beliebig, ob ein Verkehrsverstoß mit Punkten bewertet wird oder nicht. Die Neufassung des §4 Abs. 6 StVG stellt darauf ab, wann der Behörde dann der Verstoß bekannt wird und knüpft daran die weiteren Konsequenzen. Dies liegt außerhalb der Sphäre des Betroffenen, zumal länderspezifische Unterschiede auftreten werden. Weder mit dem Tattag- noch mit dem Rechtskraftprinzip ist dies nachvollziehbar.

Schließlich ist der Begriff der Bekanntmachung unscharf, da nicht nachvollziehbar ist, ob mit Bekanntwerden die amtlich...

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