Rz. 58

Unterläuft einem Rechtsanwalt bei der Berechnung einer Frist ein Fehler, so kommt es nur selten zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO. In den meisten Fällen wird diese nur dann gewährt, wenn sich einer seiner Angestellten, der sich als absolut zuverlässig erwiesen hat, hierfür verantworten muss. Wobei die Organisationspflichten, die einem Rechtsanwalt auferlegt werden, ebenfalls stetig zunehmen. Dazu der BGH:[18]

Zitat

Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen (…).

 

Rz. 59

Auch die unterbliebene Zustellung eines erstinstanzlichen Beschlusses nach Bestimmung eines Verkündungstermins führt zu einer Haftung des Rechtsanwalts, wenn durch ihn die Beschwerdefrist nicht gewahrt wurde. So das OLG Zweibrücken:[19]

Zitat

Der Rechtsanwalt, in dessen Gegenwart im Verhandlungstermin ein Verkündungstermin bestimmt und dem das Protokoll über den Verhandlungstermin zugeleitet worden ist, hat sich dann, wenn ihm nach dem Verkündungstermin keine Entscheidung zugestellt worden ist, so rechtzeitig zu erkundigen, dass ihm eine Rechtsmitteleinlegung und Begründung noch vor Ablauf der jeweiligen Ausschlussfrist möglich ist. Unterlässt er dies und versäumt er deshalb in einer Familienstreitsache die mangels Zustellung mit dem Erlass der Entscheidung in Gang gesetzten Fünf – Monatsfristen für die Begründung und Einlegung der Beschwerde, so ist das verspätet eingelegte Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

 

Rz. 60

 

Praxistipp

Nicht selten sind die Gerichte personell unterbesetzt und überlastet. Die Fünf-Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde nach Bekanntgabe des Beschlusses und die weitere Frist zur Begründung sollte daher unbedingt bereits mit dem Verkündungstermin notiert werden. Parallel hierzu sollte sicherlich auch der Spruch am Tag der Verkündung telefonisch abgefragt werden, auch wenn dies bei manchen Gerichten nicht gerne gesehen wird, da es einen weiteren Arbeitsaufwand darstellt. Im Falle des Unterliegens wäre das Gericht umso mehr zu mahnen, den Beschluss schriftlich zeitnah abzusetzen.

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