Rz. 47

Bereits im Jahr 1968 hat der BGH[9] nachfolgenden Grundsatz aufgestellt, der bis heute Bestand hat und zur äußerst strengen Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte beiträgt:

Zitat

Nach fester Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt, soweit sein Auftraggeber nicht unzweideutig zu erkennen gibt, das er des Rats nur in einer Richtung bedarf, zur allgemeinen umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Es ist Sache des Anwalts, dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind. Er hat Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Der Anwalt muss den Mandanten auch – anders als der Notar – über mögliche wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Geschäfts belehren.

 

Rz. 48

Dergestalt wird die anwaltliche Beratungs- und Sorgfaltspflicht unverändert in enger Anlehnung an die Grundsatzentscheidung noch heute definiert. So die Entscheidung des BGH im Jahr 2007,[10] die den 1968 aufgestellten Grundsatz zunächst wörtlich wiederholt. Im Folgenden hält der BGH fest, dass ein Anwalt zum Schutz seiner Partei sogar auf Schlüssigkeitsbedenken hinweisen muss, wenn er nicht ausschließen kann, dass das Gericht solche Gesichtspunkte übersieht. Tritt dieser Fehler dann tatsächlich ein, muss wiederum der Rechtsanwalt über die hieraus folgenden Angriffsmöglichkeiten aufklären.

 

Rz. 49

Erneut in sehr strenger Auslegung beim Abschluss eines Abfindungsvergleichs im Jahr 2010 der BGH[11] wie folgt:

Zitat

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Erwägt der Mandant den Abschluss eines Vergleichs, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Dies gilt im besonderen Falle, wenn es sich – wie im Streitfall – um einen Abfindungsvergleich handelt (…). Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden (…). Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt (…) und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Fall einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen (…). In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsabschluss abzusehen, gefolgt wäre (…).

 

Rz. 50

Entsprechend entscheiden auch die Instanzgerichte und stellen strenge Anforderungen. Hierzu das Oberlandesgericht Düsseldorf[12] in seinem Leitsatz:

Zitat

Pflichtwidrig handelt ein Anwalt, wenn er für den Mandanten günstige Umstände (hier: private Grundstücksbewertung beim Zugewinnausgleichsverfahren) aus taktischen Erwägungen nicht vorträgt, ohne den Mandanten über die Vor- und Nachteile dieses Vorgehens zu belehren.

 

Rz. 51

So muss der Anwalt nach einer jüngeren Entscheidung des OLG Düsseldorf vor Erhebung einer Klage auf Ausgleich ehebedingter Zuwendungen bei Gütertrennung auf eine drohende Niederlage hinweisen, er darf es nicht bei allgemeinen Risikohinweisen belassen. Andernfalls genügt er seiner Beratungspflicht nicht.[13]

 

Rz. 52

Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist in der Regel ohnehin nicht unverschuldet. Insoweit bemerkenswert noch die Entscheidung des BGH vom 5.3.2014.[14] Danach muss ein Rechtsanwalt zwar die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss ein Rechtsanwalt zudem den sicheren Weg wählen. So ist von einem Rechtsanwalt zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur (vor allem Fachzeitschriften und Kommentare) über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht nach Auffassung des Gerichtes umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ausdrücklich führte der BGH aus:

Zitat

Das Verfahrenskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Beschwerde in einer Familiensache war nach der bis 31.12.2012 bestehenden Rechtslage beim Oberlandesgericht einzureichen. Wegen der nach Inkrafttreten der FGG-Reform zunächst insoweit bestehenden Rechtsunsicherheit, die inzwischen zu einer Gesetzesänderung geführt hat, begründet die Einreichung beim hierfür unzuständigen Amtsgericht kein Verschulden des Rechtsanwalts.

 

Rz. 53

Diese Ausnahme galt aber nur vor der Gesetzesänderung. So das Oberlandesgericht Zweibrücken in seinem Beschl. v. 11.7.2013,[15] noch vor der Entscheidung des BGH, dem aber ein Sachverhalt nach der Gesetzesänderung zugrunde lag. (Leitsatz)

Zitat

Einem Rechtsanwalt muss die seit 1.1.2013 geltende Regelung des § 64 Absatz 1 Satz 2 FamFG n.F. bekannt sein, nach der Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde bei dem Gericht einzulegen sind, dessen...

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