A. Außergerichtliche Tätigkeit

I. Einleitung

 

Rz. 1

Die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts im Rahmen des verkehrszivilrechtlichen Mandates, in vielen Fällen eine Unfallregulierung, kann verschiedene Verfahrensstadien umfassen. Will der Mandant unmittelbar nach einem Unfall beispielsweise zunächst wissen, wie er sich zu verhalten hat, ob er für den Unfall (mit-)haftet, wie die Chancen auf Erstattung der Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur seines beschädigten Fahrzeuges bzw. einer Nutzungsentschädigung stehen oder ob er für sein Schleudertrauma Schmerzensgeld erhält, so nimmt der Anwalt eine Beratung vor (vgl. Rdn 3 ff.). Eventuell kommt auch die Erstattung eines Gutachtens zu bestimmten klärungsbedürftigen Rechtsfragen durch den Anwalt in Betracht (vgl. Rdn 47 ff.).

 

Rz. 2

Setzt sich das Mandat dann fort, indem der Anwalt zum Zwecke der Regulierung mit dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer Kontakt aufnimmt, einzelne Schadenspositionen erörtert, Einsicht in Unfallakten nimmt oder Sachverständigengutachten überprüft, ist der Bereich der außergerichtlichen Vertretung erreicht. Für diese Tätigkeit erhält der Anwalt, wenn die Abrechnung auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) erfolgen soll, eine Geschäftsgebühr (vgl. Rdn 49 ff.). Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so ist diese unter bestimmten Voraussetzung – wegen sog. Mehrfachvertretung – erhöht (vgl. Rdn 173 ff.).

Neben der Vergütung für Beratung und Vertretung kann auch eine Einigungsgebühr entstehen, wenn der Anwalt an einer außergerichtlichen Beendigung im Wege eines Vergleiches mitwirkt (vgl. Rdn 144 ff.).

II. Beratung

 

Rz. 3

Führt der Anwalt im Rahmen einer Verkehrsunfallregulierung eine Beratung durch, so richtet sich sein Vergütungsanspruch nach den folgenden Grundsätzen.

1. Auftrag

 

Rz. 4

Zunächst muss dem Anwalt der Auftrag für eine Beratung erteilt werden. Unter einer Beratung versteht man einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft. Ein Rat ist die Empfehlung des Anwalts, wie sich der Mandant in einer bestimmten tatsächlichen Situation verhalten soll.

 

Rz. 5

 

Beispiel

Fahrer F meldet sich telefonisch bei Anwalt A. Er hat gerade ein parkendes Auto angefahren und will nun wissen, ob und wie lange er am Unfallort warten müsse oder ob er nicht einfach seine Visitenkarte auf der Windschutzscheibe befestigen könne.

 

Rz. 6

Schon bei Übernahme des Auftrags treffen den Anwalt bestimmte Beratungspflichten im Hinblick auf die Kostenfrage. Je nachdem, ob der Mandant nach dem geschilderten Unfallverlauf eine vollständige Regulierung durch den Unfallgegner erwarten kann oder ob ihn ein anteiliges Mitverschulden trifft, muss die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung des Mandanten geprüft werden. Bei einer solchen Fallgestaltung gehört es zu den Pflichten des Anwalts, den Mandanten darüber aufzuklären, dass er die Anwaltskosten für die Inanspruchnahme der eigenen Fahrzeugversicherung selbst zu tragen hat, solange diese sich nicht in Verzug befindet. Auch Rechtsschutzversicherer ersetzen diese Kosten unter diesen Umständen in aller Regel nicht (vgl. § 3 Rdn 142 ff.).[1]

[1] Vgl. van Bühren, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 4, § 1 Rn 5.

a) Abgrenzung zum Gutachtenauftrag

 

Rz. 7

Entscheidend ist bei einem solchen Rat – anders als beim Gutachten – das Ergebnis, nämlich die konkrete abschließende Verhaltensempfehlung an den Mandanten. Bei der Auskunft geht es dagegen um die Antwort auf bestimmte Fragen allgemeiner Art. Hierzu gehören beispielsweise Fragen zu einer anwendbaren Rechtsnorm oder zur Zuständigkeit einer Behörde.

 

Rz. 8

Der Schwerpunkt eines Gutachtens liegt dagegen in der Auseinandersetzung mit rechtlichen Problemen und der Darstellung der entsprechenden Erwägungen, die später ebenfalls in einem Rat münden können, aber nicht müssen. Kommt es dem Mandanten auf die Einzelheiten dieser rechtlichen Erwägungen an, liegt kein Auftrag zur Beratung, sondern zur Gutachtenerstellung vor. Für die Abgrenzung zwischen einem schriftlichen Rat – der auch durchaus eine Begründung enthalten kann – und einem Gutachten ist entscheidend auf die objektiv erkennbaren Wünsche des Mandanten abzustellen.

b) Abgrenzung zum Prozessauftrag

 

Rz. 9

Der Auftrag kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Entscheidend ist, dass vom Anwalt lediglich eine Beratung verlangt wird. Will der Mandant den Anwalt eigentlich als Prozessbevollmächtigten für einen Rechtsstreit beauftragen und nimmt er nach einem entsprechenden Rat von diesem Vorhaben Abstand, handelt es sich nicht um eine außergerichtliche Beratung, sondern es entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG.

 

Rz. 10

 

Beispiel

Fahrer F wendet sich an Anwalt A, damit dieser den Unfallgegner G auf Schadensersatz verklagt. Nach Schilderung des Unfallgeschehens kommt A zu dem Ergebnis, dass F die alleinige Verantwortung für den Unfall trägt und daher eine Klage aussichtslos ist. Er rät F von der Klageerhebung ab, was dieser auch befolgt.

Für diese Tätigkeit kann A, obwohl er der Sache nach eine Beratungsleistung erbracht hat, eine Verfahrensgebühr von 0,8 nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG berechnen. Denn sein Au...

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