Rz. 17

Führt der Anwalt im Rahmen einer Unfallregulierung eine Beratung durch, so gibt es dafür seit dem 1.7.2006 keine eigenen Gebührentatbestände mehr. Vielmehr soll der Anwalt nach § 34 Abs. 1 RVG bei Beratung, Gutachtenerstattung und Mediation auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken. Trifft er eine solche nicht, erhält er eine Vergütung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ist der Mandant Verbraucher, so führt die fehlende Gebührenvereinbarung darüber hinaus dazu, dass für die Beratung oder Gutachtenerstellung höchstens 250 EUR berechnet werden können. Für die Erstberatung eines Verbrauchers bleibt es – auch nach der RVG-Reform zum 1.1.2021 – weiterhin bei der Kappungsgrenze von 190 EUR.

 

Rz. 18

 

Hinweis

Es gilt also bei einer Beratung folgende Prüfungsreihenfolge:

Wurde eine Gebührenvereinbarung getroffen?

 
(+)
Abrechnung nach dieser Vereinbarung
(–)
Ist der Mandant Verbraucher?
  (+)
Erstberatung max. 190 EUR, Beratung/Gutachten max. 250 EUR
  (–)
Abrechnung nach BGB
 

Rz. 19

Die Maximalgebühr für die Beratung eines Verbrauchers (250 EUR) entspricht gerade einmal einer 1,5-Geschäftsgebühr bei einem Streitwert von ca. 2.000 EUR. Bei jeder Beratung eines Verbrauchers, die einen höheren Streitwert aufweist, muss der Anwalt also eine finanzielle Einbuße hinnehmen, wenn er keine Gebührenvereinbarung abgeschlossen hat. Dies ist im Bereich der freien Berufe, bei denen die Tätigkeit nach üblichen Vergütungen bzw. Taxen entlohnt wird, einmalig und aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht zu rechtfertigen. Die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers mag zwar im Hinblick auf die Erstberatung bejaht werden, damit er sich mit akzeptablem finanziellem Aufwand einen ungefähren Überblick über die Rechtslage und die Verhaltensalternativen verschaffen kann. Eine (weitergehende) Beratung oder ein schriftliches Gutachten sind jedoch im Hinblick auf die Dauer und die rechtliche Schwierigkeit der Tätigkeit sowie das Haftungsrisiko nicht mit einer Erstberatung zu vergleichen. Der Abschluss einer Gebührenvereinbarung ist daher dringend zu empfehlen, um die vom Gesetzgeber gewollten Vergütungseinbußen zu vermeiden.

 

Rz. 20

 

Hinweis

Da die früher geltende Abrechnung nach dem Gegenstandswert am ehesten den Bedürfnissen der Praxis gerecht wird, sollte in "Normalfällen" schlicht die Abrechnung nach der früher geltenden Wertgebühr (0,1 bis 1,0) aus dem jeweiligen Gegenstandswert vereinbart werden, wobei die Bestimmung der konkreten Gebühr unter Beachtung der Grundsätze des § 14 Abs. 1 RVG erfolgt. Alternativ bietet sich die Vereinbarung eines Zeithonorars an (vgl. dazu § 6 Rdn 40 ff.).

 

Rz. 21

Doch auch wenn der Mandant kein Verbraucher ist und die Kappungsgrenzen des § 34 Abs. 1 RVG daher nicht eingreifen, ist eine Gebührenvereinbarung unbedingt zu empfehlen. Denn sonst wird die Vergütung des Anwalts nach den Vorschriften des BGB berechnet – eine Vorgehensweise, die ein gehöriges Maß an Unberechenbarkeit in sich birgt. Der Anwaltsvertrag ist zwar ohne Zweifel als entgeltliche Geschäftsbesorgung bzw. im Falle der Gutachtenerstattung als entgeltlicher Werkvertrag einzustufen. Jedoch stellt sich dann das Problem, auf welche "übliche Vergütung" im Rahmen von §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB abzustellen ist. Sicher nicht auf die im Jahre 2006 aufgehobenen Vergütungstatbestände der Nrn. 2100 ff. VV RVG a.F., denn diese sollten nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht mehr gelten, auch nicht über die "Hintertür" einer vemeintlich "üblichen Vergütung".[2] Es ist zu befürchten, dass in diesem Punkt in Rechtsprechung und Schrifttum weiterhin Unsicherheit bei der Gebührenbestimmung besteht, bis sich "übliche Sätze" eingebürgert bzw. durchgesetzt haben,[3] wobei selbst dann noch frag­lich sein dürfte, ob diese üblichen Sätze auch den konkreten Einzelfall angemessen ­honorieren.

 

Rz. 22

 

Hinweis

Das Soldan Institut für Anwaltsmanagement veröffentlicht ein jährliches Berufsrechtsbarometer, das u.a. das Preisniveau anwaltlicher Vergütungsvereinbarungen darstellt. Das Barometer 2017/2018 ergab einen durchschnittlichen bundesweiten Stundensatz von 216 EUR.

 

Rz. 23

Die bestehenden Unwägbarkeiten sollte der Anwalt durch den Abschluss einer Gebührenvereinbarung vermeiden. Nur er kann beurteilen, was seine Arbeit kostet und welches Honorar daher angemessen ist. Letztlich sollte die Abschaffung der Beratungsgebühren die Anwälte dazu bringen, frühzeitig das offene Gespräch mit dem Mandanten, die Honorierung seiner Tätigkeit betreffend, zu suchen.

[2] So auch AnwK-RVG (Onderka/Thiel), § 34 Rn 94; Mayer/Kroiß (Winkler), RVG, § 34 Rn 67 ff.; Kilian, BB 2006, 1509; a.A.: AG Stuttgart RVGreport 2014, 304; AG Emmerich AGS 2008, 484; AG Dannenberg AGS 2013, 510.
[3] Vgl. AG Brühl RVGreport 2009, 460; AG Steinfurth RVGreport 2014, 307; AG Bielefeld AGS 2010, 160. Nach einer Entscheidung des AG Bielefeld (AGS 2010, 160), die auf ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer Freiburg Bezug nimmt, sollte ein Stundensatz von 190 EUR (netto) ein bundesweit ermitte...

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