Rz. 123

Im Zusammenhang mit besonders wichtigen oder riskanten Geschäften bedarf es zur Legitimation des gesetzlichen Vertreters einer gesonderten gerichtlichen Genehmigung. § 1643 BGB ist zwingendes Recht, wobei ein Elternteil den dort genannten Beschränkungen aber nur unterliegt, wenn er als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen auftritt. Davon ist etwa dann nicht auszugehen, wenn sich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus den Eltern und dem minderjährigen Kind zusammensetzt. In diesem Fall erfolgt die Vertretung des Minderjährigen durch den Elternteil als Bevollmächtigter der Gesellschaft.[468]

 

Rz. 124

Entscheidungsmaßstab für die gerichtliche Genehmigungsentscheidung ist allein das Kindeswohl.[469] Neben dessen finanziellen Interessen muss das Gericht im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung die Frage beantworten, ob unter Abwägung aller Umstände das Geschäft im Interesse des Kindes liegt.[470]

 

Rz. 125

Zentrale Zielrichtung des § 1643 BGB ist der Schutz der Vermögensinteressen des Minderjährigen. Es soll sichergestellt werden, dass er in die Volljährigkeit nicht mit einer Schuldenbelastung startet, die die Eltern in Ausübung ihrer Vertretungsmacht begründet haben. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung soll dem volljährig gewordenen Kind Raum bleiben, um sein weiteres Leben ohne unzumutbare Belastungen, für die es nicht selbst verantwortlich ist, gestalten zu können.[471] Eingedenk dieser besonderen Schutzwürdigkeit wurde durch das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz[472] § 1629a BGB eingeführt, um volljährig gewordene Kinder vor einer als Folge der gesetzlichen Vertretung während ihrer Minderjährigkeit eingetretenen Überschuldung zu schützen.[473]

 

Rz. 126

Die wichtigsten genehmigungsbedürftigen Geschäfte ergeben sich aus der Verweisung in § 1643 Abs. 1 BGB[474] auf die auch für Vormünder geltenden Beschränkungen (§§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 811 BGB) sowie aus § 1643 Abs. 2 und § 112 BGB. Genehmigungspflichtig sind danach im Wesentlichen:

Geschäfte über Grundstücke, Schiffe oder Schiffsbauwerke nach § 1821 BGB,[475]
Geschäfte über Vermögensangelegenheiten (§ 1822 Nr. 1 BGB),[476]
Gesellschaftsverträge und Erwerbsgeschäfte (§ 1822 Nr. 3 BGB),[477]
Verträge mit langer Bindung (§ 1822 Nr. 5 BGB),[478]
riskante Geschäfte (§ 1822 Nr. 8–11 BGB),[479]
die Ausschlagung einer Erbschaft nach §§ 1942 ff. BGB,[480]
die Ausschlagung eines Vermächtnisses nach §§ 2176 ff. BGB,
der Verzicht auf einen Pflichtteil nach §§ 2346 ff. BGB.
 

Rz. 127

Der mit einem Minderjährigen geschlossene Lebensversicherungsvertrag, der länger als ein Jahr nach Eintritt der Volljährigkeit fortdauern soll, bedarf nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB der gerichtlichen Genehmigung.[481] Die konkludente Genehmigung des schwebend unwirksamen Lebensversicherungsvertrages nach Eintritt der Volljährigkeit setzt voraus, dass dem Versicherten die schwebende Unwirksamkeit bekannt war oder er zumindest mit einer solchen Möglichkeit rechnete. Fehlt die Kenntnis des Genehmigungserfordernisses, so liegt weder in der fortlaufenden Prämienzahlung noch in dem wiederholten Verzicht auf Widerspruch gegen Prämienanpassungen eine konkludente Vertragsgenehmigung.

 

Rz. 128

Der Genehmigungsbedürftigkeit unterliegt auch der Erwerb von Wohneigentum für das Kind, das zwar die Eltern finanzieren, sich insoweit aber die Mieterträge abtreten lassen.[482] Gleiches gilt für die Abtretung von Ansprüchen aus dem Vertrag an eine Sparkasse[483] oder die dingliche Belastung eines Miteigentumsanteiles[484] sowie die Beteiligung eines Minderjährigen an einer Gesellschaft,[485] einschließlich einer BGB-Gesellschaft mit Blick auf ihre Teilrechtsfähigkeit.[486] Wird die Gesellschaft als Erwerbsgesellschaft betrieben, so bestehen keine weiteren Genehmigungserfordernisse für die Geschäfte der Gesellschaft. In diesem Fall erfasst die familiengerichtliche Genehmigung der Beteiligung des Minderjährigen an der Gesellschaft auch die einzelnen Erwerbsgeschäfte. Für die Bestellung einer Grundschuld bedarf es daher keiner zusätzlichen Genehmigung.[487] Erstreckt sich demgegenüber der Zweck der Gesellschaft auf eine rein verwaltende Tätigkeit und nicht auf Erwerbsgeschäfte, so sind Geschäfte, die abweichend vom Gesellschaftsvertrag eine weitere persönliche Haftung des Minderjährigen begründen, nicht mehr von der familiengerichtlichen Genehmigung gedeckt. Um ein Unterlaufen des Schutzzwecks der §§ 1821, 1822 BGB zu verhindern, bedürfen Grundstücksveräußerungen einer solchen Gesellschaft der Genehmigung.[488] Den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen kommt im Einzelfall entscheidende Bedeutung zu.

 

Rz. 129

Für die nach § 1643 Abs. 2 BGB grundsätzlich genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte sieht § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB eine Ausnahme vor. Die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses bedarf dann keiner familiengerichtlichen Genehmigung, wenn der Anfall an das Kind die vorangehende Ausschlagung durch einen Eltern...

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