Rz. 447

Über den früheren § 50c FGG hinausgehend ermöglicht § 161 Abs. 1 FamFG die amtswegige Hinzuziehung der Pflegeperson als Beteiligte (siehe dazu auch Rdn 366) im Interesse des Kindes, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege (§ 1632 Abs. 4, siehe dazu § 4 Rdn 23 ff.) lebt. Damit wird sichergestellt, dass die Pflegeperson vollumfänglich vom Verfahrensablauf in Kenntnis gesetzt wird und so Einfluss auf das Verfahren nehmen kann (siehe auch Rdn 366). Kann hiernach eine Hinzuziehung der Pflegeperson dem Kindeswohl dienen, so ist diese regelmäßig geboten, unabhängig davon, ob die Pflegeperson selbst unmittelbar von der zu treffenden Entscheidung betroffen ist.[1636] Nach früherer Rechtsprechung des BGH konnte eine Pflegeperson in gerichtlichen Verfahren, die die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht eines Elternteils mit dem Kind betrafen – mit Ausnahme der Verfahren nach §§ 1630 Abs. 3, 1632 Abs. 4 und 1688 Abs. 3 und Abs. 4 BGB – grundsätzlich weder formell noch materiell verfahrensbeteiligt sein.[1637] Dies ist durch § 161 Abs. 1 FamFG überholt, wenngleich die Beschwerdeberechtigung von Pflegepersonen weiterhin – auch im Falle ihrer formellen Beteiligung – nur sehr eingeschränkt bejaht werden kann (siehe dazu – auch zur Beschwerde gegen die unterbliebene amtswegige Hinzuziehung der Pflegeperson – § 4 Rdn 25 ff.).

Diese dem Kindesinteresse und einer längeren Pflegedauer unterworfene Kann-Beteiligung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, sein pflichtgemäßes Ermessen einzelfallgerecht auszuüben, zumal die Pflegeeltern ihre förmliche Beteiligung anregen können und für den Fall, dass das Gericht ihrer Anregung nicht entspricht, entsprechend § 7 Abs. 5 S. 2 FamFG beschwerdeberechtigt sind (siehe dazu auch § 4 Rdn 25).[1638]

Eine Muss-Beteiligung von Pflegeeltern hätte demgegenüber zahlreiche Nachteile. Abgesehen davon, dass sie manchmal zuvörderst eigene Interessen verfolgen, nähme die Komplexität und Konfliktbeladung der Verfahren öfters zu, was auch eine längere Verfahrensdauer befürchten ließe und damit dem Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG zuwiderliefe. Den Pflegeeltern entstünden auch Kostenrisiken, deren Realisierung nicht immer durch das dem Gericht in § 81 Abs. 1 FamFG eingeräumte billige Ermessen wird vermieden werden können. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Pflegeeltern durch die Beteiligung ein grundsätzlich uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht erhalten,[1639] und zwar auch in sensible Aktenteile – etwa Gutachten, in welche die Herkunftseltern mit einbezogen worden sind. Dies bedeutet einen erheblichen Eingriff in das Recht (auch) der Herkunftseltern, zu entscheiden, welchem Personenkreis sie persönliche, teilweise sehr intime Umstände offenbaren möchten. Die Pflegeeltern bekämen so zudem vermehrt Argumentationsstoff "gegen" die Eltern, was – zumal in Ansehung der häufigen Gegnerstellung beider "Lager" – ebenfalls erhebliche negative Folgen für das Verfahren und seine Dauer haben kann. Solange die Pflegeeltern nicht die förmliche Absicherung des Verbleibs des Kindes bei sich fordern (§ 1632 Abs. 4 BGB) – dann sind sie ohnehin Muss-Beteiligte –, wiegen diese Nachteile durchaus schwerer als die Vorteile ihrer Beteiligung, die im Übrigen in solchen Fällen auch nicht stets ihrem Willen entspricht, insbesondere dann nicht, wenn sie keinen Verbleib des Kindes bei ihnen erstreben.[1640]

Auch in dem Fall, in dem der Umgang des Kindes mit seinen Herkunftseltern geregelt werden soll, ist eine zwingende Beteiligung der Pflegeeltern nicht angezeigt. Zwar haben sie die Regelung im Alltag umzusetzen und müssen das Kind zum Ende eines Umgangs auch wieder psychisch "auffangen". Für eine Beteiligung mag auch streiten, dass die Umgangsregelung erst dadurch nicht nur dem (Amts-)Vormund bzw. (Amts-)pfleger,[1641] sondern auch ihnen gegenüber vollstreckbar wird (siehe dazu auch § 6 Rdn 29). Die Einbindung der Pflegeeltern kann zudem den Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs befördern, dem auch diese dann zustimmen müssten. Es entspricht allgemeiner Erkenntnis, dass solchermaßen gemeinsam gefundene, einvernehmliche Regelungen regelmäßig besser tragen als gerichtliche Anordnungen. (siehe § 2 Rdn 240); deren Nichteinbeziehung birgt die Gefahr des Scheiterns der ohne ihre Zustimmung abgeschlossenen Vereinbarung.[1642] In diesen Umgangsverfahren sind zudem erfahrungsgemäß auch weniger sensible Unterlagen bei den Akten; sollte dies im Einzelfall anders sein, könnte die Akteneinsicht unter Verweis auf schwerwiegende Interessen der Herkunftseltern beschränkt gewährt werden (§ 13 Abs. 1 FamFG). Eine Muss-Beteiligung erscheint dennoch nicht erforderlich, weil es auch insoweit ausreicht, dass das Gericht sein bereits nach geltendem Recht bestehendes tatrichterliches Hinzuziehungsermessen in diesen Fällen angemessen ausübt.[1643] Die Hinzuziehung ist nach alledem in diesen Fällen vor allem dann angezeigt, wenn die Pflegeeltern im Rahmen ihrer Anhörung (§ 161 Abs. 2 FamFG) zu erkennen geben...

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