Rz. 257

Muss nach der vorangegangenen Prüfung die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit einer Teilentscheidung – als milderes Mittel – bezüglich derjenigen Angelegenheiten der elterlichen Sorge zu begnügen, für die ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht festgestellt werden kann, wenn dies dem Kindeswohl Genüge tut.[969] Dies kann bei Streitigkeiten der Eltern nur in einem wesentlichen Teilbereich der Fall sein, etwa bei einer Meinungsverschiedenheit über die religiöse Erziehung samt der Frage der Taufe des Kindes.[970] Typischer Anwendungsfall ist auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Häufig wird eine Entscheidung dieser meist wichtigsten Frage zwar freilich notwendig,[971] aber auch ausreichend sein. Erstrecken sich die Konflikte der Eltern aber auf verschiedene wesentliche Bereiche der elterlichen Sorge und die damit zusammenhängenden Fragen der Erziehung und ist dies in der Vergangenheit durch konkrete Vorfälle zutage getreten, so ist die Alleinsorge vorzugswürdig, wenn andernfalls negative Auswirkungen auf das Kind zu erwarten sind.[972]

 

Rz. 258

Verfahrenstaktisch sollte ein Elternteil, der die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge oder Teilbereichen hiervon erstrebt, keinen gegenläufigen ("Revanche") – Sorgerechtsantrag stellen; denn das Gericht wird den Umstand, dass beide Elternteile jedenfalls ausweislich ihrer Anträge übereinstimmend eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge erstreben, bei seiner Abwägung zu berücksichtigen haben (siehe aber zum Hilfsantrag Rdn 253).[973]

[972] BGH FamRZ 1999, 1646; OLG Saarbrücken 2015, 2180; siehe zu den Auswirkungen hoch strittiger Elternschaft für das Kind auch Weber, ZKJ 2015, 14.

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