Rz. 424

Nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht hatte das Kind grundsätzlich keine Beteiligtenstellung. Das neue Recht ordnet in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG an, dass als Beteiligte diejenigen hinzuzuziehen sind, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Dies wird in nahezu allen denkbaren Kindschaftssachen auch das Kind sein; dieses ist daher formell als Beteiligter hinzuzuziehen.[1545] Dann besteht die Beteiligtenstellung automatisch auch im Rechtsmittelzug fort.[1546]

 

Rz. 425

Das Kind unter 14 Jahren ist nicht verfahrensfähig (arg. § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Es muss daher durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten werden, § 9 Abs. 2 FamFG. Diese Vertretung des Kindes im Verfahren obliegt grundsätzlich den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil, ungeachtet ihrer eigenen Verfahrensbeteiligung.[1547] Auch in den Fällen eines erheblichen Interessengegensatzes darf die Vertretungsbefugnis im Kindschaftsverfahren nicht entzogen werden, wenn die wirksame Interessenvertretung des Kindes durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands (siehe dazu § 5 Rdn 9 ff.) sichergestellt ist. Dies gilt unabhängig davon, dass der Verfahrensbeistand nach § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. Der Gesetzgeber hat die dem Verfahrensbeistand verliehenen Befugnisse als ausreichend angesehen, um eine effiziente Wahrung der Kindesinteressen gewährleisten zu können. Aufgrund seiner Bestellung und Tätigkeit muss nicht weitergehend in die elterlichen Rechte eingegriffen werden, so dass auch keine Notwendigkeit für die Bestellung eines Ergänzungspflegers besteht.[1548] Der Gegenansicht[1549] ist zudem entgegenzuhalten, dass im Fall der Bestellung eines Ergänzungspflegers und ggf. gegen dessen Bestellung eingelegter Rechtsmittel – neben zusätzlichen Kosten – ein erheblicher Zeitverlust die Folge wäre, der dem Beschleunigungsgrundsatz des § 155 FamFG diametral zuwiderliefe.[1550] Die Entbehrlichkeit der Anordnung von Ergänzungspflegschaft erfasst nicht nur Personensorge-, sondern auch solche Vermögenssorgeverfahren, in denen es nicht ausschließlich um Vermögensangelegenheiten geht; anders ist es in den Fällen, die sich allein auf Vermögensangelegenheiten beziehen;[1551] hier ist ggf. die Bestellung des Ergänzungspflegers notwendig.[1552]

 

Rz. 426

Das Kind, dass das 14. Lebensjahr vollendet hat, ist in Verfahren, die seine Person betreffen und in denen es ein ihm nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend macht, hingegen verfahrensfähig. Davon sind die Verfahren nach § 1671 BGB erfasst, sobald der andere Elternteil der Sorgerechtsübertragung zustimmt, denn ab dann steht dem Kind das Widerspruchsrecht nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu.[1553] Auch Verfahren nach § 1684 Abs. 1 BGB gehören dazu (eigenes Recht des Kindes auf Umgang),[1554] nicht hingegen solche nach § 1685 oder § 1686a BGB, die nur der engen Bezugsperson bzw. dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater, nicht aber dem Kind ein eigenes Recht auf Umgang einräumen. Gleiches gilt für Verfahren nach § 1632 Abs. 1 und 4, § 1666, § 1674 BGB.[1555] Allerdings sind Verfahren erfasst, in denen Maßnahmen nach § 1684 Abs. 4 BGB in Rede stehen.[1556] Denn auch in diesem Verfahren wird das eigene Umgangsrecht des Kindes aus § 1684 Abs. 1 BGB ggf. beschränkt und mithin geregelt, nicht anders als bei der – ebenfalls erfassten – Anordnung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB. Dementsprechend sprechen die Gesetzesmaterialien von der eigenständigen Wahrnehmung "materieller" Rechte des Kindes.[1557]

 

Rz. 427

Eine Beschränkung auf Kindschaftssachen (§ 151 FamFG) enthält § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht, so dass auch die Antrags- und Widerspruchsrechte des Kindes im Adoptions- oder Vormundschaftsrecht (§§ 1746 Abs. 2 S. 1,[1558] 1762 Abs. 1, 1778 Abs. 1 Nr. 5, 1887 Abs. 2 BGB) umfasst sind.[1559] Die Gegenauffassung kann sich zwar auf BT-Drucks 16/9733, S. 288 ("im kindschaftsrechtlichen Verfahren") stützen, dies hat aber im Wortlaut des § 9 FamFG keinerlei Niederschlag gefunden und ist auch von der Zielrichtung der eigenständigen Verfahrensfähigkeit des mindestens 14 Jahre alten Kindes aus gesehen nicht gerechtfertigt.

 

Rz. 428

Die Beteiligungsfähigkeit setzt voraus, dass das Kind selbst – was ggf. das Gericht zu klären hat – umfassend am Verfahren beteiligt werden will; nur angehört werden zu wollen, genügt nicht.[1560]

Dies vorausgesetzt, ist es nicht notwendig, dass dem Kind das geltend gemachte Recht auch tatsächlich – im Ergebnis – zusteht.[1561] Dies ist eine Frage der Begründetheit seines Anspruchs. Die Gegenauffassung verkennt, dass die Verfahrensfähigkeit einem Beteiligten gerade die eigenständige Geltendmachung des Rechts – u.a. durch umfassende Gewährung rechtlichen Gehörs – erst eröffnen will.

 

Rz. 429

Dies alles hat wichtige, in der Praxis nicht immer strikt beachtete Konsequenzen. Das Kind bedarf in solchen Verfahren für keine Verfahrenshandlung eines gesetzlichen Vertreters (arg. § 9 Abs. 2 FamFG). Es kann a...

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