Rz. 82

Für die Erziehung des Kindes enthält das Gesetz in § 1626 Abs. 2 S. 1, 2 BGB zwei Grundsätze:

die Mitwirkung des Kindes an der Entwicklung seiner Persönlichkeit im Sinne einer Partnerschaft im Eltern-Kind-Verhältnis sowie
das Gebot zum Dialog.

§ 1626 Abs. 2 BGB hebt die Verpflichtung der Eltern hervor, das Kind zu selbstständigem Handeln zu erziehen. Dabei ist es Bestandteil der partnerschaftlichen Erziehung, das Kind nach seinem Entwicklungsstand an den Fragen der elterlichen Sorge zu beteiligen.[279] Hierzu gehört auch, dass dem Kind in religiösen Angelegenheiten eine Mitentscheidungskompetenz eingeräumt wird, das Kind also nicht zwingend der Glaubensausrichtung seiner Eltern folgen muss.[280] Nur auf diesem Weg kann erreicht werden, dass das Kind bereits frühzeitig lernt, eigenverantwortlich an seinem Entwicklungsprozess mitzuwirken.

 

Rz. 83

Die Eltern haben die Verpflichtung, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Kind eine wachsende Fähigkeit und ein steigendes Bedürfnis hat, selbstständig und verantwortungsbewusst zu handeln. In diesem Kontext obliegt es den Eltern, Fragen der elterlichen Sorge mit dem Kind zu besprechen, soweit dies nach dem Entwicklungsstand des Kindes angezeigt ist. Nach dem aus § 1626 Abs. 2 S. 2 BGB folgenden Dialoggebot ist Einvernehmen anzustreben, auch wenn letztendlich die Entscheidung dem Sorgeberechtigten obliegt.[281] Dieser hat grundsätzlich bis zur Volljährigkeit des Kindes die Verantwortung und damit auch den Vorrang in allen Erziehungsfragen.[282]

 

Rz. 84

Diese Kompetenz der Sorgeberechtigten wird im Ausgangspunkt durch das Wächteramt des Staates nicht eingegrenzt. Der Staat darf Eltern nicht zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder drängen. Die Entscheidung darüber, welches Leitbild sie ihrer Erziehung zugrunde legen möchten, überlässt der Verfassungsgeber den Eltern selbst.[283] Soweit sich dadurch möglicherweise auch Nachteile für das Kind ergeben, sind diese – sofern hierdurch das Kindeswohl nicht gefährdet wird (siehe dazu Rdn 178 ff.) – hinzunehmen.[284]

[279] OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 1322.
[280] AG Tempelhof-Kreuzberg FamRZ 2009, 987.
[281] Zum Briefgeheimnis bei Kindern, wenn die Inhalte der Briefe möglicherweise das Wohl des Kindes beeinträchtigen können, siehe DIJuF-Rechtsgutachten JAmt 2014, 261.
[282] BayObLG FamRZ 1997, 954.
[283] BVerfG FamRZ 1999, 285.
[284] BayObLG FamRZ 1997, 954.

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