Rz. 75

 

Beispiel

Die Rechtsanwältin R hatte zwei Personen – Tante und Neffe – im Rahmen einer Erbauseinandersetzung vertreten. Die Tante des Neffen machte neben der Erbauseinandersetzung eine Insolvenzforderung gegen den insolventen Neffen durch R geltend, den sie in der Vergangenheit finanziell unterstützt hatte. Auf der Grundlage des Verbots widerstreitender Interessen beschwerte sich die Tante bei der Rechtsanwaltskammer. Der R wurde daraufhin ein Rügebescheid erteilt. Der dagegen gerichtete Antrag der R hatte keinen Erfolg.

Das Anwaltsgericht Köln[167] stellte einen Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen aus § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 3 BORA fest. Die Interessenkollision lag darin begründet, dass die R einerseits die Tante hinsichtlich der Insolvenzforderung außergerichtlich und andererseits Tante und Neffe nach Eintritt des Erbfalls im Rahmen der Erbauseinandersetzung vertreten hatte. Dabei war das Interesse des Neffen darauf gerichtet, dass er seinen Erbteil erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erhalten sollte, wohingegen die Tante ihre Insolvenzforderung möglichst schnell realisieren wollte.[168] Dieser Interessenwiderstreit führte zu einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO, wodurch die R zur sofortigen Niederlegung der Mandate verpflichtet gewesen wäre. Dieser Fall zeigt, dass die Interessenkollision bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nicht nur im klassischen Fall des Bestehens von Ausgleichspflichten nach den §§ 2050 ff. BGB ausgelöst wird, die erst mit dem Erbfall entstehen. Vielmehr kann eine Interessenkollision bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bereits durch Forderungen begründet werden, die vor dem Erbfall entstanden sind.

[167] AnwG Köln, Beschl. v. 12.7.2012, 10 EV 404/11.
[168] AnwG Köln, Beschl. v. 12.7.2012, 10 EV 404/11.

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