Rz. 11

Der Bundesgesetzgeber hat von einer bundeseinheitlichen Einführung der obligatorischen Streitschlichtung unter Hinweis auf das Fehlen eines flächendeckenden Netzes an Gütestellen und die deshalb zu erwartenden Verzögerungen des Zugangs zu den Gerichten abgesehen.[11] Vielmehr gibt die bundesrechtliche Regelung des § 15a EGZPO nur den Rahmen vor, in dem sich die verschiedenen Bundesländer bewegen können. Die Länder dürfen keine Regelungen treffen, die über die Grenzen dieser Öffnungsklausel hinausgehen. Sie sind aber nicht gezwungen, diese vollständig auszunutzen oder von der Ermächtigung überhaupt Gebrauch zu machen. In der Tat enthalten die einzelnen Ausführungsgesetze zum Teil signifikante Unterschiede. Der Rechtsanwender muss daher neben § 15a EGZPO auch stets – wenn überhaupt vorhanden – das jeweilige Ausführungsgesetz des Landes im Blick haben.

 

Rz. 12

Nach Inkrafttreten des § 15a EGZPO hatten mit Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zunächst acht Bundesländer von der Ermächtigung des § 15a EGZPO Gebrauch gemacht. Um nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob die obligatorische Streitschlichtung die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt, hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe den Erfolg und die Praxistauglichkeit der außergerichtlichen obligatorischen Streitbeilegung unter dem Thema "Umsetzung des § 15a EGZPO" unter die Lupe genommen. Sie ist in ihrem Abschlussbericht 2007 u.a. zu folgenden Feststellungen gelangt:[12]

Zitat

"In ihrer Struktur soll die Regelung des § 15a EGZPO als länderoffene Regelung beibehalten werden."
Ungeachtet des Umstandes, dass der rein streitwertbezogene Ansatz des § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO in der Praxis auf heftige Kritik stößt, wird von einer Streichung der Regelung abgeraten. Als Option für die Länder sollte diese Möglichkeit durch § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO offen gehalten werden.
Die in § 15a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EGZPO enthaltenen Sachgebiete (Nachbarrecht, Ehrverletzung) haben sich bewährt und sollten als Option für die Länder unverändert fortgelten. Reformbedarf besteht insoweit nicht.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Praxisbefragung und der Auswertung der statistischen Erkenntnisse lassen sich keine abstrakt-generell abgrenzbaren Sachgebiete identifizieren, die den Anwendungsbereich des § 15a EGZPO über die gegenwärtige Rechtslage hinaus sachgebietsbezogen ergänzen könnten.
Die Ausnahme für eine Anwendung des § 15a Abs. 1 EGZPO in den Fällen eines Mahnverfahrens (§ 15a Abs. 2 Nr. 5 EGZPO) soll beibehalten werden. Die Möglichkeit der schnellen und einfachen Titulierung unbestrittener Forderungen ist weiterhin zu gewährleisten. Die aufgrund der Ausnahme zu beobachtende “Flucht ins Mahnverfahren’ führt zu einer mittelbaren Entlastung der Gerichte.
 

Rz. 13

Auch wenn etwa auf dem 67. Deutschen Juristentag 2008 in Erfurt erneut die Aufhebung des § 15a EGZPO gefordert worden ist,[13] hat die Anzahl der landesrechtlichen Schlichtungsgesetze insgesamt zugenommen. Die oben beschriebene Evaluation haben die Bundesländer aber einheitlich zum Anlass genommen, das Erfordernis, bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ein Schlichtungsverfahren durchzuführen, zu streichen, weil bei diesen Streitigkeiten eine Umgehung der Streitschlichtung durch das Mahnverfahren möglich sei und weil viele dieser Klageverfahren für eine Streitschlichtung ungeeignet seien.[14] Dagegen haben sie an dem Erfordernis, in Nachbar- und Ehrverletzungsstreitigkeiten eine Streitschlichtung durchzuführen, festgehalten, auch weil die Vergleichsquote bei den Streitigkeiten am höchsten sei.[15] Bayern, Brandenburg und Niedersachsen verlangen die vorherige Durchführung eines obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens allerdings allein bei Sachverhalten, die in die Zuständigkeit eines Amtsgerichts fallen (Rdn 30, 41).[16]

 

Rz. 14

Inzwischen haben mit Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zehn der 16 Bundesländer ein Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO erlassen. Dabei ist zu beachten, dass das hessische Ausführungsgesetz bis zum 31.12.2025 (vgl. § 16 S. 2 HSchlichtG) befristet ist; die saarländische Regelung läuft aktuell bis zum 31.12.2020 (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 2 LSchlG). Baden-Württemberg hat sein Schlichtungsgesetz allerdings mit Wirkung vom 1.5.2013 aufgehoben, die anderen fünf Bundesländer (Berlin, Bremen, Hamburg, Sachsen und Thüringen) haben für die Einführung verpflichtender Streitschlichtungsverfahren bislang keine Notwendigkeit gesehen.

 

Rz. 15

Die Landesschlichtungsgesetze enthalten zudem Vorschriften zu ihrem örtlichen Anwendungsbereich. Zur Vermeidung großer Kosten, insbesondere Reisekosten, verlangen sie in aller Regel die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nur dann, wenn die Parteien im gleichen Landgerichtsbezirk wohnen bzw. ihren Sitz haben.[17] Solche Erleichterungen tragen dem – auch verfassu...

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