Rz. 4

Die Öffnungsklausel des § 15a EGZPO ist beschränkt auf

1. vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 EUR nicht übersteigt,
2. Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 BGB sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften i.S.d. Art. 124 EGBGB, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
3. Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, sowie
4. – nach einer 2006 erfolgten Änderung –[4] Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des AGG.
 

Rz. 5

Eine weitere Begrenzung erfolgt durch § 15a Abs. 2 S. 1 EGZPO, der verschiedene Streitigkeiten streitwertunabhängig vom Anwendungsbereich ausnimmt. Hierbei handelt es sich um Verfahren, in denen die Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens zu praktischen Schwierigkeiten führen würde.[5] Im Einzelnen bedarf es der vorherigen Durchführung eines außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahrens nicht bei Klagen nach den §§ 323, 323a, 324, 328 ZPO, Widerklagen und Klagen, die binnen einer gesetzlichen oder gerichtlich angeordneten Frist zu erheben sind (Nr. 1), bei Wiederaufnahmeverfahren (Nr. 3), bei Ansprüchen, die im Urkunden- oder Wechselprozess geltend gemacht werden (Nr. 4), bei der Durchführung des streitigen Verfahrens, wenn ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht worden ist (Nr. 5), und bei Klagen wegen vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen, insbesondere nach dem Achten Buch der Zivilprozessordnung (Nr. 6). Ein Schlichtungsverfahren ist nach § 15a Abs. 2 S. 2 EGZPO zudem entbehrlich, wenn die Parteien nicht in demselben Bundesland wohnen oder dort ihren Sitz oder eine Niederlassung haben.

 

Rz. 6

Ein vorgeschaltetes selbstständiges Beweisverfahren entbindet nicht per se von der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens. Zwar finde das obligatorische Streitschlichtungsverfahren – wie von § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGZPO vorgegeben – keine Anwendung auf Klagen nach den §§ 323, 323a, 324, 328 ZPO, Widerklagen und schließlich "Klagen, die binnen einer gesetzlichen oder gerichtlich angeordneten Frist zu erheben sind". Mit der für fristgebundene Klagen geschaffenen Ausnahme wollte der Gesetzgeber Friktionen mit der Einhaltung der Frist für die Klageerhebung verhindern. Allerdings folgt einem selbstständigen Beweisverfahren nicht automatisch und fristgebunden das Klageverfahren, sondern das Gericht kann gem. § 494a Abs. 1 ZPO nur auf Antrag des Beklagten hin eine Frist für die Klageerhebung bestimmen. Fehlt es an einem solchen Antrag des Beklagten und damit auch an einer Anordnung des Gerichts, die Klage innerhalb einer bestimmten Frist zu erheben, verbleibt es damit bei dem Erfordernis der Durchführung des Schlichtungsverfahrens.[6]

 

Rz. 7

Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass vor Klageerhebung ein einstweiliges Verfügungsverfahren durchgeführt wurde. Ist die Hauptsache nicht anhängig, so kann auch hier das zuständige Gericht nach § 936 ZPO i.V.m. § 926 ZPO nur auf Antrag des Verfügungsgegners anordnen, dass die Partei, die die einstweilige Verfügung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage in der Hauptsache zu erheben hat. Fehlt es an einer tatsächlich gesetzten Frist aufgrund gerichtlicher Anordnung, ist die Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens nicht entbehrlich.[7]

 

Rz. 8

Schließlich bietet § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO in vermögensrechtlichen Streitigkeiten eine gesetzliche Umgehungsmöglichkeit: Wird ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht, ist die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens entbehrlich.

 

Rz. 9

Streitigkeiten über Ansprüche wegen Nachbarrechten, die innerhalb einer gesetzlich angeordneten materiell-rechtlichen Ausschlussfrist mit der Klage geltend zu machen sind, unterliegen der obligatorischen Streitschlichtung; die nachbarrechtlichen Ausschlussfristen stellen nach einer Entscheidung des V. Zivilsenats keinen Fall des § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGZPO dar.[8] Hiermit seien allein Klagen gemeint, die aufgrund ihrer Eilbedürftigkeit innerhalb einer kurzen prozessualen Frist erhoben werden müssen. Als Beispiele benennt der Senat die Klage nach § 878 Abs. 1 ZPO (Widerspruchsklage im Verteilungsverfahren), die innerhalb von einem Monat zu erheben ist,[9] und die Klage nach § 558b Abs. 2 S. 1 BGB (Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Mieterhöhung), für die die Klagefrist nach § 558b Abs. 2 S. 2 BGB drei Monate beträgt.[10]

 

Rz. 10

 

Hinweis:

Weiterhin ist ein Schlichtungsverfahren nach § 15a Abs. 3 EGZPO dann nicht erforderlich, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, unternommen haben (siehe zu anderen Formen der außergerichtlichen Schlichtung Rdn 88 ff.).

[4] Mit Wirkung v. 18.8.2006 durch Art. 3 Abs. 16 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grun...

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