Rz. 174

Beim Aufstellen von Sozialplänen haben Arbeitgeber und Betriebsrat tatsächliche Beurteilungsspielräume und normative Gestaltungsspielräume.[198] Folglich obliegt es ihnen, eine Prognose anzustellen, welche wirtschaftlichen Nachteile sich realisieren werden.[199] So ist abzuschätzen, welche Erfolgsaussichten Arbeitnehmer nach Verlust ihres Arbeitsplatzes auf dem Arbeitsmarkt haben werden und wie lange es dauern wird, bis sie eine gleichwertige neue Arbeitsstelle gefunden haben oder, ob sie bei neuen Arbeitsstellen ggf. auch geminderte Einkommen werden in Kauf nehmen müssen. Hiervon ausgehend obliegt es auch den Betriebsparteien, festzulegen, welche Maßnahmen sie vereinbaren, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Hierbei sind sie auch nicht gezwungen, alle Nachteile zu berücksichtigen und müssen sie auch nicht immer in vollem Umfang ausgleichen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut, der von einem Abmildern der wirtschaftlichen Nachteile ausgeht.[200] Aufgrund der Sachnähe der Betriebsparteien können diese sicherlich am besten beurteilen, welche Ausgleichsmechanismen für die betroffenen Arbeitnehmer am besten geeignet und welche wirtschaftlich angemessen sind. Die Betriebsparteien haben jedoch nach billigem Ermessen zu verfahren. Richtlinien, wie sie dieses Ermessen auszuüben haben, finden sich ansatzweise in § 112 Abs. 5 BetrVG. Hier wird der Ermessensspielraum für die Einigungsstelle, die bei Scheitern der Verhandlungen verbindlich über den Sozialplan zu entscheiden hat, festgelegt. Es empfiehlt sich bereits im Vorfeld, sich an diesen Hinweisen des Gesetzes zu orientieren.[201]

 

Rz. 175

Gleichwohl ist durch die Betriebsparteien bei Aufstellung des Sozialplans zu beachten, dass dieser nicht mit höherrangigem Recht kollidiert. Insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 sowie sonstige Diskriminierungsverbote sind zu beachten. Jedoch müssen sie die betroffenen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandeln. Sachfremde Schlechterstellungen einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder anderer Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage wären unzulässig.[202]

 

Rz. 176

Zulässigerweise können die Betriebsparteien u.a. folgende Differenzierungen vor­nehmen:

Ausschluss von Beschäftigten von Leistungen des Sozialplans, die sich noch in der Wartezeit gem. § 1 KSchG befinden, mithin noch keine 6 Monate im Arbeitsverhältnis sind. Mangels Kündigungsschutz tritt hier tatsächlich kein Verlust eines schützenswerten sozialen Besitzstandes ein.

Ebenfalls zulässig ist es, Arbeitnehmer die ihr Arbeitsverhältnis selbst beenden, von Leistungen des Sozialplans auszuschließen. Unzulässig wäre es dagegen, auch Arbeitnehmer auszuschließen, deren Eigenkündigung oder deren Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber aufgrund der Betriebsänderung veranlasst worden sind. Diese sind gleich zu behandeln.[203]

 

Hinweis

Um für die Beschäftigten, die vermeintlich im Hinblick auf die Betriebsänderung gekündigt haben, ohne aber davon tatsächlich betroffen zu sein, mehr Rechtssicherheit zu schaffen, ist es auch zulässig, die Ausnahme aus dem Sozialplan davon abhängig zu machen, dass der Arbeitgeber nach Erhalt der Eigenkündigung den an sich nicht betroffenen Beschäftigten hierauf hinweist und diesem zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Erst wenn er dies ablehnt, wird er aus dem Sozialplan ausgenommen.[204]

Ebenfalls zulässig ist es, Abfindungszuschläge für unterhaltsberechtigte Kinder nur zu gewähren, wenn diese auch auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sind.[205]

 

Hinweis

Es empfiehlt sich, dem Beschäftigten jedoch das Recht einzuräumen, anhand anderer Belege die Existenz der unterhaltsberechtigten Kinder nachzuweisen.

Auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer können aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans ausgenommen werden, da sie ebenfalls keinen schützenswerten Besitzstand haben und keinen Rechtsanspruch auf eine Verlängerung oder gar Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses haben. Kommt es wegen der Betriebsänderung jedoch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des vorgesehenen Befristungszeitraums, müssen diese Arbeitnehmer ebenfalls in den Sozialplan aufgenommen werden.
Zulässig sind auch die Differenzierungen, die sich auf das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit oder die Rentennähe beziehen. Diese Merkmale sind in § 10 S. 3 Nr. 6 AGG ausdrücklich als Umstände genannt, die einer unterschiedlichen Behandlung in Sozialplänen zugrunde liegen können. Zulässig sind daher auch Abfindungsregelungen, die eine nach Alter und Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindung vorsehen, da damit entweder die vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Auch können Beschäftigte von Leistungen ausgeschlossen werden, wenn diese, ggf. auch erst nach dem Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind. Insbesondere bei rentennahen Beschäftigten können die Be...

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