Rz. 248

Nach wie vor umstritten und von den LAG unterschiedlich entschieden, ist die Frage, ob dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zusteht, wenn der Unternehmer die Beteiligungsrechte aus § 111 BetrVG missachtet und mit der Umsetzung der Betriebsänderung beginnt, ohne dass ein Interessenausgleich versucht worden ist. Da derartige Anträge in aller Regel als Eilverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung bei den Gerichten anhängig gemacht werden, liegen zwar zahlreiche Entscheidungen von LAG vor, jedoch noch keine Äußerung des BAG zu dieser strittigen Frage. Zahlreiche Instanzgerichte räumen dem Betriebsrat das Recht ein, die Vornahme von Maßnahmen, die die Betriebsänderung vorwegnehmen, durch einstweilige Verfügung so lange untersagen zu lassen, bis der Interessenausgleich bis in die Einigungsstelle versucht worden ist.[280] Hintergrund ist der Gedanke, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich nur dann sinnvoll sein können und der Betriebsrat auch nur dann die unternehmerische Entscheidung im Rahmen der Verhandlungen noch beeinflussen kann, wenn der Arbeitgeber nicht von sich aus "vollendete Tatsachen" schaffen kann.[281]

 

Rz. 249

Demgegenüber werden Bedenken erhoben, dass der Betriebsrat einen möglichen Unterlassungsanspruch als Druckmittel zur Verhinderung der Umsetzung dringend erforderlicher unternehmerischer Maßnahmen missbrauchen und zur Erzwingung von Koppelungsgeschäften ausnutzen könnte. Auch wird eingewandt, der Gesetzeswortlaut lasse an keiner Stelle erkennen, dass der Gesetzgeber dem Betriebsrat eine derartige Rechtsposition einräumen wolle. Die Folgen der Verletzung des Unterrichtungs- und Beratungsrechts aus § 111 BetrVG sei in dem § 113 BetrVG abschließend geregelt.[282]

 

Rz. 250

 

Praxistipp

Letztlich bleibt für den Berater des Betriebsrates nur die Sichtung der Rechtsprechung des für den Betrieb zuständigen LAG, um seine Erfolgsaussichten mit einer einstweiligen Verfügung einschätzen zu können. Hieran kann und sollte sich auch die Taktik in den Verhandlungen zum Interessenausgleich und Sozialplan orientieren.

[280] DKKW/Däubler, §§ 112, 112a BetrVG Rn 53 m.w.N.
[281] DKKW/Däubler, §§ 112, 112a BetrVG, Rn 52.
[282] Vgl. eingehend Gruber, NZA 2011, 1011.

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