Rz. 69

Der Tatbestand stellt ab auf die Betriebsorganisation, den Betriebszweck oder die Betriebsanlagen. Er verlangt jedoch eine grundlegende Änderung, damit der Tatbestand einer Betriebsänderung erfüllt ist.

 

Rz. 70

Eine Änderung der Betriebsorganisation liegt vor, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung umgewandelt wird.[76] Unter Betriebsanlagen i.S.v. § 111 S. 2 Nr. 4 BetrVG sind nicht nur die Anlagen in der Produktion zu verstehen, sondern allgemein solche, die dem arbeitstechnischen Produktions- und Leistungsprozess dienen.[77] Um den Tatbestand des § 111 S. 2 Nr. 4 BetrVG zu eröffnen, müssen nicht sämtliche Betriebsanlagen geändert werden. Es genügt, wenn einzelne Betriebsanlagen geändert werden. Die Änderung ist somit grundlegend, wenn die geplante Veränderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat. Sie muss damit in der Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein.[78] Bei der Frage, ob die Anlagen erhebliche Bedeutung haben, kann auf die Anzahl der Arbeitnehmer abgestellt werden, die von der Änderung der einzelnen Betriebsanlagen betroffen sind. Dies hat indizielle Bedeutung. Es kann dabei an die obigen Ausführungen zur Betriebseinschränkung angeknüpft werden.[79] Jedoch kommt dieser quantitativen Betrachtung lediglich indizielle Bedeutung zu. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Betriebsänderung vorliegt, kommt es vor allem jedoch auf das Ausmaß der möglichen nachteiligen Auswirkungen durch die Änderung der Betriebsanlagen an. Lässt sich anhand von anderen Gesichtspunkten ableiten, dass in der Gesamtschau die Betriebsanlage, die geändert wird, von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf ist, kann auch bei einer deutlichen Unterschreitung der betroffenen Arbeitnehmerzahl eine Betriebsänderung gegeben sein.[80]

 

Rz. 71

Unter Betriebszweck i.S.v. Nr. 4 ist der im Betrieb verfolgte arbeitstechnische Zweck zu verstehen,[81] also die Bestimmung derjenigen Güter und Dienstleistungen, mit denen Gewinne erzielt oder Bedürfnisse befriedigt werden sollen.[82]

 

Rz. 72

Von einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation kann beispielsweise in ­folgenden Fällen auszugehen sein:

Fremdvergabe und Outsourcing der Aufgaben eines Betriebsteils, vorausgesetzt, dies ändert den Betriebsablauf grundlegend und wirkt sich auf den überwiegenden Teil der Belegschaft des gesamten Betriebs aus[83]
Aufgabe des Anzeigeninnendienstes und Übertragung der damit verbundenen Aufgaben auf selbstständige Handelsvertreter[84]
Abschaffung einer kompletten Funktionsebene in der betrieblichen Organisation, hier: Unternehmerische Entscheidung, die Ebene der Regionalleiter im Außendienst künftig abzuschaffen[85]
Outsourcing der Reinigungsabteilung eines Hotelbetriebes[86]
Eröffnung und Inbetriebnahme einer Internetfiliale einer Bank, sofern dies einschneidende Änderungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat (hier: waren sämtliche Berater, die die Arbeitgeberin beschäftigte, betroffen – bei einer Gesamtbelegschaft von ca. 450 Mitarbeitern ca. 100 Berater.)[87]
 

Rz. 73

Eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks liegt in folgenden Fällen vor:
Hinzufügung einer weiteren Abteilung mit einem weiteren arbeitstechnischen Betriebszweck, (hier: Hinzufügung eines besonderen Saals mit Spiel an Automaten in einem Spielcasino, das bisher lediglich herkömmliches Glücksspiel an Spieltischen anbot.)[88]
Aufspaltung und Übertragung aller Betriebsteile, die sich mit Produktion, Entwicklung und Konstruktion befassten, auf eine neu gegründete Gesellschaft, wobei nur Verwaltung, Vertrieb und Kundendienst zurückblieben.[89]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge