Rz. 45

Lediglich die Einschränkung eines Betriebes oder wesentlichen Betriebsteils anstelle einer Stilllegung liegt vor, wenn der Betriebszweck zwar weiterverfolgt wird, dies aber unter einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Herabsetzung der Betriebsleistung erfolgt. Von einer solchen Betriebseinschränkung ist dann auszugehen, wenn etwa Produktionsanlagen außer Betrieb gesetzt werden oder bisher in den Produktionsprozess eingebundene Maschinen stillgelegt werden mit dem Ziel, den Betriebszweck zwar aufrechtzuerhalten, aber die Leistungsfähigkeit des Betriebes herabzusetzen.[45] Eine Einschränkung des ­Betriebes nach diesem Sinne liegt jedoch nicht vor, wenn lediglich nur temporär Anlagen aufgrund einer schwankenden Auslastung abgeschaltet werden, ohne dass die Belegschaft reduziert werden soll. Derartige Auslastungsschwankungen können durch eine Einschränkung der betrieblichen Arbeitszeit oder Kurzarbeit kompensiert werden. Hier kommt § 111 BetrVG nicht in Frage. Zu beachten ist jedoch die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 BetrVG. Voraussetzung ist also eine erhebliche und nicht nur vorübergehende Herabsetzung der Betriebsleistung.

 

Rz. 46

Eine Betriebseinschränkung kann sich auch aufgrund bloßen Personalabbaus ergeben.[46] Für die Annahme einer Betriebsänderung genügt jedoch nicht die Entlassung einiger weniger Arbeitnehmer. Es muss sich schon um wesentliche Personalabbaumaßnahmen, die eine relevante Anzahl von Arbeitnehmern erfassen,[47] handeln, damit die Annahme einer Betriebseinschränkung gerechtfertigt ist. Abzustellen ist auch hier als Richtwert auf die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG, wobei bei Großbetrieben mind. 5 % der Belegschaft des Betriebes betroffen sein müssen.[48]

 

Rz. 47

Für kleinere Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern geht das BAG davon aus, dass eine Betriebsänderung durch alleinigen Personalabbau nur vorliegt, wenn hiervon mind. 6 Arbeitnehmer betroffen sind.[49] Damit soll erreicht werden, dass kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung durch Sozialpläne geschützt werden.

 

Rz. 48

 

Hinweis

Auch in § 112a Abs. 1 BetrVG finden sich Zahlengrenzen. Die dortigen höheren Schwellenwerte sind jedoch nicht maßgeblich für das Vorliegen einer Betriebsänderung. Sie wirken sich bei der Frage aus, ob der Betriebsrat bei einem reinen Personalabbau einen Sozialplan erzwingen kann. In der Folge kann es dazu kommen, dass zwar eine Personalabbaumaßnahme gegeben ist, die als Betriebsänderung zu qualifizieren ist und die damit die Unterrichtungs- und Beratungspflichten nach § 111 BetrVG auslöst, bei der jedoch kein Sozialplan gefordert werden kann.

 

Rz. 49

 

Nachstehende Schwellenwerte sind also Voraussetzung für die Qualifizierung einer Betriebseinschränkung als Betriebsänderung:

Betriebsgröße betroffene Arbeitnehmer
Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer
21–50 Arbeitnehmer mehr als 5 Arbeitnehmer
60–499 Arbeitnehmer entweder 10 % der Arbeitnehmer oder mehr als 25 Arbeitnehmer
500–600 Arbeitnehmer mindestens 30 Arbeitnehmer
mehr als 600 Arbeitnehmer mindestens 5 % der Arbeitnehmer
 

Rz. 50

Zur Ermittlung, ob die Schwellenwerte erreicht sind, kommt es nach h.M. nicht darauf an, worauf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruht und auch nicht auf die Form der Beendigung.[50]

Folgende Fälle sind also mitzuzählen:

Arbeitnehmer, die betriebsbedingt entlassen werden
Arbeitnehmer, die aufgrund eines vom Arbeitgeber wegen der geplanten Personalreduzierung veranlassten Aufhebungsvertrages ausscheiden[51]
Arbeitnehmer, die in Hinblick auf die geplante Personalreduzierung eine Eigenkündigung[52] ausgesprochen haben
Arbeitnehmer, die im Zuge der Betriebsänderung in anderen Betrieben des Unternehmens oder in anderen Konzernunternehmen weiterbeschäftigt werden[53]
Arbeitnehmer, die gekündigt werden, weil sie dem Übergang ihres Teilbetriebes auf einen Erwerber widersprochen haben[54]
 

Rz. 51

Nicht mitzuzählen sind jedoch folgende Fälle:

Arbeitnehmer, die lediglich betriebsintern versetzt werden, da diese Maßnahme nicht zu einem Ausscheiden führt und die Belegschaftsstärke hierdurch nicht verändert wird[55]
Arbeitnehmer, die ausschließlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen entlassen werden
Arbeitnehmer, die lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis haben und deren Arbeitsverhältnis infolge des Fristablaufs endet[56]
 

Rz. 52

Auch wenn hinsichtlich der Schwellenwerte auf § 17 KSchG abgestellt wird, ist zu beachten, dass die dort geforderte Voraussetzung, der Personalabbau müsse innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgen, für die hier zu beurteilende Frage keine Rolle spielt. Auch wenn sich der Personalabbau über eine längere Zeit hinzieht, ist dieser als Betriebsänderung anzusehen, vorausgesetzt, die Gesamtmaßnahme folgt einer einheitlichen Planung des Arbeitgebers.[57]

 

Rz. 53

 

Hinweis

Liegen die einzelnen Umsetzungsschritte der größeren Personalabbaumaßnahme nur einige Wochen auseinander, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine einhei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge