Rz. 1012

Grundsätzlich tritt der Übernehmer eines Betriebes oder Betriebsteils nach § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den dortigen Arbeitsverhältnissen ein. Dieser Grundsatz gilt auch in der Insolvenz.

 

Rz. 1013

Das BAG hatte jedoch schon unter der Geltung der Konkursordnung Ausnahmen zur Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz zugelassen. Wird ein Betrieb oder Betriebsteil im Rahmen eines Insolvenzverfahrens veräußert, ist § 613a BGB danach insoweit nicht anwendbar, wie die Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für bereits entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens, das von dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beherrscht wird, Vorrang.[1014]

 

Rz. 1014

Begründet wurde und wird diese Rechtsprechung mit dem das Konkursrecht prägenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Würde die vom Betriebserwerber übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wäre sie im Verhältnis zu anderen Konkursgläubigern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müsste von den übrigen Konkursgläubigern finanziert werden, weil der Betriebserwerber den an die Masse zu zahlenden Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern würde. Die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens seien daher vorrangig, § 613a BGB sei insoweit teleologisch zu reduzieren.

 

Rz. 1015

An den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs wird auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festgehalten. Danach ist die Haftung eines Betriebserwerbers gem. § 613a BGB nicht beschränkt, wenn er den Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen hat. Sie ist jedoch beschränkt, wenn er den Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen hat.[1015] Das LAG Frankfurt[1016] hat diese Rechtsprechung mit seinem Urt. v. 23.8.2006 wegen angeblichen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben (RL 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001) für den Fall des Übergangs eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses während der Freistellungsphase des Arbeitnehmers in Frage gestellt, das BAG hat für diese Fallgestaltungen aber allein unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse entschieden.[1017]

 

Rz. 1016

Ist der Betriebsübergang aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, so gelten die konkursrechtlichen Einschränkungen nicht. Ausschlaggebend ist insoweit, dass außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger nicht zum Tragen kommt und damit die Voraussetzungen für die Haftungsprivilegierung des Erwerbers entfallen. An dieser Rechtsprechung sei auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festzuhalten.[1018]

 

Rz. 1017

Eine Haftung des Betriebserwerbers für die Verbindlichkeiten kann daher nur für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entfallen, wenn dieser den Betrieb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt. Für einen Betriebsübergang in der Sequestration bzw. im Insolvenzeröffnungsverfahren soll dies dagegen nicht gelten.[1019]

 

Rz. 1018

Ist aber der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen nach Insolvenzeröffnung eingetreten, hängt die einschränkende Auslegung von § 613a BGB nicht davon ab, ob der Arbeitnehmer nur eine einfache Insolvenzforderung oder eine vorrangige Insolvenzforderung geltend macht. Für die Frage der Haftungsreduktion ist dieser Umstand nicht entscheidend.[1020] Der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger ist nämlich erst dann nicht gewahrt, wenn der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren wegen seiner Forderung gegen den früheren Betriebsinhaber überhaupt nicht befriedigt wird. Dann ist die Haftung des Erwerbers gerechtfertigt.

 

Rz. 1019

Vom Grundsatz der Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers in der Insolvenz[1021] werden außerdem auch Urlaubsansprüche nicht erfasst, soweit sie nicht – infolge bereits erfolgter zeitlicher Festlegung – einem Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordnet werden können.[1022] Gegen eine einzelvertragliche Verlängerung der Übertragung bis zum Ende des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil § 7 Abs. 3 S. 4 BUrlG zeigt, dass insoweit noch ein ausreichender Zusammenhang von Urlaubsnahme und Urlaubsjahr vorliegt. Die Regelung der Unabdingbarkeit in § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG lässt eine derartige Abweichung von § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG zu.

 

Rz. 1020

 

Hinweis

§ 613a BGB findet auf die Arbeitnehmeransprüche noch Anwendung, wenn der Betrieb bei Übernahme zwar bereits insolvent war, aber die Veräußerung noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Beweisbelastet dafür, dass der Betriebsübergang nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist und damit die eingeschränkte Erwerberhaftung gem. § 613a BGB gilt, ist der Erwerber. Für die Voraussetzung der Übernahme des Betriebes kommt es nicht darauf an, ob und wann der Erwerber den Betrieb tatsäc...

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